Am 3.1.24 kommen wir dann in Tiruvannamalai an und erhalten erst einmal übergangsweise ein Apartment im Siva Giri Guesthouse, das eigentlich einem Dauermieter oder einer Dauermieterin gehört, aber für ein paar Tage frei ist. Wir packen nur das Nötigste aus (Zahnbürste und so…) und machen uns auf den Weg zu dem kleinen Reisebüro von Babu, den wir schon seit fast 15 Jahren kennen. Wir werden mit Handschlag von ihm begrüßt, erfahren, dass es ihm und seiner Familie gut geht, der Vater aber vor ein paar Monaten gestorben ist. Wir kennen Babus Eltern, da wir vor einigen Jahren einmal ein Zimmer in ihrem Haus hatten. Dann wechseln wir etwas Geld, kaufen zwei SIM-Karten, die gleich in unsere Handys eingesetzt werden von Babus Angestelltem und schlendern Richtung lärmender Hauptstraße.
Tiru fühlt sich wie Heimat an. Nach Babu treffen wir „unseren“ Rikscha-Fahrer Venkatesh, der uns bei früheren Aufenthalten zuverlässig überall hin gebracht und abends in Restaurants abgeholt und sicher nach Hause gebracht hat; mit ihm klappt auch die Kommunikation auf Englisch gut. Neuerdings hat er auch Whatsapp, was es noch einfacher macht, ihn zu bestimmten Terminen zu bestellen. Venkatesh strahlt und freut sich offensichtlich, uns zu sehen und wünscht uns noch nachträglich ein Happy New Year.
Auf der Hauptstraße strahlt uns dann ein paar Schritte weiter das ältere Ehepaar an, bei dem wir immer Papayas, Limetten und Bananen gekauft haben. Sie haben nur einen kleinen Stand, wissen aber genau, wann eine Papaya reif ist: „For today this one, for tomorrow that one…“
Nach der ersten Nacht in Tiru erkunden wir die so vertraute Gegend weiter, schauen, was sich geändert hat in den vier Jahren, die wir nicht mehr hier waren, gehen in den Ashram von Ramana Maharshi, ziehen am Eingang die Schuhe aus, da dieser heilige Ort nur barfuß betreten werden darf, und meditieren eine Weile. Danach zieht es uns in die German Bakery, einem der ersten Restaurants, die hier am Berg entstanden sind. Ich esse leckere Momos, denn das Restaurant gehört zwar einem Deutschen, der hier vor Jahrzehnten hängen blieb, ist aber ansonsten tibetisch ausgerichtet, bietet aber auch internationale Gerichte an – und natürlich Käsekuchen.
Dann gehen wir in den Supermarkt gegenüber vom Ashram einkaufen. Das Wichtigste ist Anti-Moskitocreme und -spray, dann Kaffee und Milchpulver und Grüntee mit indischem Tulsi-Tee für morgens; dann holen wir Papaya und Bananen bei dem netten Ehepaar. Als wir Hunger bekommen, entdecken wir ein neues Restaurant, etwas abgelegen in einer kleinen Straße auf einer Dachterrasse. Erst waren wir skeptisch, da keine anderen Gäste da waren, aber dann kam ein junger Engländer, der dort wohl Stammgast ist und uns begeistert erzählte, dass der Wirt sehr gute Mahlzeiten zubereite, man merke, dass er es liebe, mit guten Zutaten und leckeren Gewürzen zu kochen. Und ja, wir genossen leckeres indisches Essen mit Reis und Gemüse. Mit dem Herumschlendern in den Sträßchen und Gassen rund um den Ashram und einem Chai hier und einem Bananalassi dort verging der Tag schnell. Abend hieß es dann noch Wäsche einweichen und für den nächsten Tag unseren Rikschafahrer per Whatsapp für den nächsten Morgen bestellen.
Am nächsten Tag, Freitag, dem 5.1.24, fand ein morgendlicher Satsang mit Sharada Ma statt, für den wir uns schon von Deutschland aus registriert hatten. Sie ist Inderin, stammt aus Tiruvannamalai. Sie lebt aber inzwischen in den USA in San Diego. Ein Mal im Jahr, bisher immer im Januar, ist sie wieder bei ihren Eltern und gibt dann Satsang. Sie verbreitet eine sehr angenehme Atmosphäre und wir meditieren zwei Stunden mit ihr und lauschen ihren Worten zu einem spirituellen und erfüllten Leben.
Als wir ins Guesthouse zurückkommen, ist unser Apartment frei und wir tragen schnell unsere Sachen von Tür zu Tür. Wie immer beim Beziehen eines Zimmers oder Apartments in Indien geht es nicht ohne noch ein bisschen hier und da zu putzen, was vergessen wurde: die Regalbretter, ein Teil der Küchenablage, der Couchtisch… Wir freuen uns jedoch, dieses Jahr zum ersten Mal einen Kühlschrank und eine Wasserfiltermaschine vorzufinden. Richtiger Luxus!
Am Tag darauf, es ist Samstag, der 6.1.24, stehen wir zügig auf und wandern den heiligen Berg Arunachala hinauf zum Skanda-Ashram, dem Ort, an dem der Weise Ramanah Maharshi einige Jahre mit seiner Mutter gelebt hat. Der Ashram besteht aus zwei Räumen, einem großen und einem kleinen, die in den Felsen des Berges gebaut wurden. Am Berg und besonders um den Ashram gibt es viele Affen: Sie turnen an den Bäumen, lassen sich herunterfallen und landen fast auf den Besuchern, grabschen nach den Taschen. Ich sehe, wie einer der Priester des Ashrams mit einem ganz langen Stock eine kleine typisch indische Handtasche aus den Ästen eines Baumes angelt und sie der Besitzerin zurückgibt. Ob wohl noch alles drin ist – jedenfalls von den nicht essbaren Dingen? Wir verbringen einige Zeit in Meditation an diesem Ort hoch über Tiruvannamalai.
Beim Hinuntergehen treffe ich den Steinmetz Shiva wieder, der seit Jahren seine kunstvollen Steinmetzarbeiten am Berg anbietet. Zuhause erfreue ich mich seit langer Zeit an einem fein ziselierten liegenden Ganesha von seiner Hand und dieses Mal, zieht es mich zu einer Lakshmi aus Marmor von etwa 6-7 cm Höhe: Eine Göttin, die gut auf Reisen mitgenommen werden kann, da sie so handlich ist, meint Shiva. Lakshmi ist die hinduistische Göttin des Glücks, der Liebe, der Fruchtbarkeit, des Wohlstands, der Gesundheit und der Schönheit. Sie spendet nicht nur Reichtum, sondern auch geistiges Wohlbefinden, Harmonie und ist die Beschützerin der Pflanzen. Ich bedauere, dass ich kaum Geld eingesteckt habe für die Bergwanderung, aber das ist für Shiva kein Problem. Er segnet seine Göttin, überreicht sie mir gut eingepackt und meint, ich solle in den nächsten paar Tagen – ohne Eile – vorbeikommen und ihn bezahlen. Sein Vertrauen berührt mich.
Am nächsten Tag, es ist Sonntag, machen wir uns morgens zu einem Satsang auf, den uns eine Frau, die wir in einem Café getroffen haben und mit der wir länger ins Gespräch kamen, empfiehl. Nosoor heißt der Lehrer, ein Sadhu, der eine große Zuhörerschar von Indern und Menschen aus aller Welt anzieht. Seine Erzählungen mit vielen Bezügen auf die hinduistische Glaubenswelt packen uns nicht so sehr. Anatha geht nach einer halben Stunde, ich schaue mir diesen Sadhu noch eine Weile an, der so anders ist als die Sadhus, die ich von der Straße kenne. Er trägt zwar wie diese „Straßensadhus“ orangene Gewänder und einen Wanderstock, ist aber offensichtlich gut ernährt und gepflegt. Nach dem Satsang lese ich Anathas Nachricht über Whatsapp, in welchem Cafe sie auf mich wartet. Ich weiß nicht genau, in welche Richtung ich laufen soll und spreche einen Inder an, der vor dem Gebäude mit seiner Vespa steht, ganz in der Nähe unserer Unterkunft eine Yogaschule hat und Massagen anbietet. Wir kennen uns vom Sehen auch schon viele Jahre. Er bietet mir an, mich auf der Vespa hinzufahren – da sage ich nicht nein und lasse mich von ihm auf kleinen holprigen Pfaden durch offenes Gelände und durch eine dörfliche Ansiedelung vorbei an bellenden Hunden und stoisch den Weg versperrenden Kühen in das Dorfcafé bringen. Auch das ist Indien – aber wahrscheinlich erhofft er sich, dass Anatha und ich mal zur Massage kommen…
Der Montag (8.1.24) wird ein Regentag. Unser Satsang bei Sharada Ma fällt wegen Regen aus und unser Rikschafahrer bringt uns wieder zurück in den Ort – auf der Website der Inderin stand zwar, dass der Satsang ausfallen wird, aber wir haben nicht nachgeschaut, da Regen für uns kein Hindernis darstellte, zu ihr zu fahren. Wir frühstücken ausgiebig in der Germany Bakery, ich kaufe mir eine Zeitung auf Englisch (The Hindu), studiere diese ausgiebig und dann gehen wir noch etwas einkaufen und lesen im Apartment.
Abends gehen wir in das kleine Restaurant ganz in der Nähe unserer Unterkunft, das den Namen German Café trägt, aber einem Inder gehört, der eine vielfältige Speisekarte anbietet und auch auf individuelle Wünsche eingeht. Wir setzen uns an einen Tisch, an dem eine einzelne Frau isst und kommen ins Gespräch mit ihr. Sie heißt Margo, ist Norwegerin, lebt in Schweden und ist Akupunkturärztin. Sie war auch schon viele Male in Tiru und wir tauschen viele Erinnerungen und nützliche Infos aus. Auch das liebe ich an Tiru – immer wieder ergeben sich Kontakte mit netten und interessanten Menschen.
Am Dienstag, 9.1.24, ist wieder trockenes Wetter. Ich habe eine Rücken- bzw. Kundalinimassage am Vormittag gebucht und werde kräftig durchgeknetet. Die Rückseite bis zu den Sitzflächen schmerzt noch am Tag danach … aber der verhärtete Muskel oben in meiner linken Schulter hat unter dem harten Zugriff aufgegeben und fühlt sich wieder geschmeidig an. Nach der Massage kündigten sich spontan Anna und ihr Mann an, Bekannte, denen wir vor vier Jahren bei unserer Abreise zwei Teppiche und Kleidung überlassen hatten, die sie für uns ein Jahr einlagern wollten. Unser Plan war ja, im Jahr darauf wieder in Tiru zu sein. Leider sind die Sachen bei ihnen im Schuppen fast verrottet, aber sie haben zwei neue Teppiche für uns besorgt, weil ihnen ihre Nachlässigkeit so leid tat, und wollen sie nun vorbeibringen. Wir treffen uns im German Café und auch von ihnen erhalten wir Tipps und den Hinweis auf eine Inderin, die nicht weit von uns Satsang gibt und die sehr viele Menschen anzieht. Wir gehen daraufhin am gleichen Tag noch zum abendlichen Satsang, sind aber auch hier nicht „angetriggert“.
Jetzt sind wir schon eineinhalb Wochen in Indien, es ist Mittwoch, der 10.1.24, und wir erleben wieder einen intensiven Satsangvormittag bei Sharada Ma. Fast eine Stunde meditieren wir mit ihr und tauchen danach wie aus einer anderen Welt wieder auf. Danach entdecken wir ein neues Café, in dem es sogar Speiseeis gibt – das war vor ein paar Jahren noch undenkbar.
Abends essen wir wieder im German Café um die Ecke; ich genieße gebratenen Reis mit Ei und Anatha eine tibetische Gemüsesuppe mit viel Brokkoli. Dazu gibt es Zitronensoda – Vitamin C Zufuhr! Wieder treffen wir Margo, die ebenfalls um die Ecke wohnt und plaudern mit ihr angeregt. Sie kennt auch Nepal und wir tauschen unsere Erfahrungen aus.