Nepal – lockdown und wir

Samstag, 28. März 2020

Es ist Tag 5 des Lockdowns, d.h. seit fünf Tagen ist der öffentliche Verkehr einschließlich Taxifahrten unterbunden und gerade an dem Tag, als wir nach einer guten Woche auf dem Berg in Sarangkot im Hotel Pristine Himalaya weiterreisen wollten, rief uns der nächste Vermieter an und teilte uns mit, dass das Reisen nicht mehr möglich sei, außer wir würden noch in derselben Nacht packen und per Taxi anreisen; dies wollten wir aber nicht. Es geht uns gut, die Familie bekocht uns mit gesundem Essen wann immer wir wollen, wir können noch Spaziergänge in der frischen Luftunternehmen, bestaunen jeden Morgen wieder den Sonnenaufgang vom Bett aus und lesen und meditieren viel. Es gibt bis heute nur 4 Corona-Fälle, wobei eine Person bereits wieder genesen ist. Wir warten einfach ab, was noch passiert.

3. April 2020

Der Lockdown wurde um weitere 7 Tage verlängert. Bis jetzt gibt es 5 Covid-19 Fälle im Land und viele Menschen in Quarantäne – alle Nepalesen, die aus dem Ausland zurückkommen, werden 14 Tage in Quarantäne geschickt. Jedenfalls wird hier im Land keine Panik verbreitet.

Wir genießen Tag für Tag die Sonnenaufgänge, Spaziergänge und sogar den Anblick von Blitzen vor und hinter der Bergkulisse und vorgestern gab es sogar Regenbögen zu bestaunen. Als wir heute ganz hoch auf den Aussichtspunkt stiegen, grüßten alle Einheimischen freundlich und einer meinte sogar, wir seien jetzt auch Einheimische nach drei Wochen hier oben.

Jetzt sind es 6 Monate und ein Tag, dass wir unterwegs sind. Unsere Reisegeschwindigkeit hat sich stark verlangsamt, aber das fühlt sich richtig an für uns. Irgendwann wird es weitergehen.

Samstag, 11.  April 2020

Jetzt sind wir vier Wochen und einen Tag in „unserem“ kleinen Hotel auf 1600m, hoch ueber Pokhara und dem See. Auf jeden Fall ist das Reisen im Land noch bis 15.4. nicht gestattet. Wir wollen auch gar nicht so schnell weiter, planen erst einmal Tagesausfluege von hier aus. Jeden Tag gehen wir spazieren oder machen kleine Wanderungen. Die Straßen sind minimal befahren, so dass wir ungestoert auch auf Asphalt und weiterhin auf Schotterwegen und kleinen Pfaden die Gegend hier erkunden koennen.

Manchmal begegnen wir Menschen unterwegs; viele grüßen freundlich mit Namaste, manchmal werden wir gefragt, woher wir kommen und hin und wieder entwickelt sich daraus ein kleines Gespraech ueber Land und Leute. Manchmal werden wir aber auch ignoriert, erhalten keine Antwort auf unseren Gruß oder es wird Meter entfernt von uns schnell der Schal ueber Mund und Nase gezogen – oder Kinder verziehen sich schnell in Richtung ihres Hauses und Gartens und rufen uns nach, ob wir Corona haetten.

Die Lage in Nepal ist nach wie vor gut. Es gibt neun Fälle, allen Betroffenen, auch der 64-jaehrigen Frau mit Asthma und Bluthochdruck, geht es ziemlich gut ohne ernste Beschwerden. Die Nepali, die vor allem aus Indien und arabischen Staaten zurueckgekommen sind, werden in vierzehntaegige Quarantaene geschickt und von Gesundheitsfachkraeften betreut. Ueberall im Land werden jetzt Tests vorgenommen. Das Vorgehen der Regierung ist besonnen und fern von Panikmache. Wirtschaftlich gesehen wird Nepal jetzt gebeutelt: Die Touristen sind fast alle ausgeflogen worden, neue Reisende sind natuerlich kaum noch zu erwarten dieses Jahr, dabei sollte 2020 ein Jahr des angekurbelten Tourismus werden, ueberall haengen Poster, die darauf hinweisen. Die zweite große Geldquelle des Landes, die Ueberweisungen der im Ausland lebenden und arbeitenden Nepali sind ebenfalls drastisch eingebrochen. Wir hoeren da viele bedenkliche Bemerkungen. Es macht mich traurig, das alles zu erleben, denn Nepal ist nach wie vor ein armes Land mit vielen daraus resultierenden Problemen, z.B. einer hohen Selbstmordrate (vor allem Frauen ertragen ihre Situation nicht). Hoffentlich ist zumindest bald der Lockdown beendet, damit Handel und Gewerbe im Inland wieder anlaufen koennen.

Apropos Handel: Wir kaufen jetzt hier oben in geschlossenen Laeden ein… Auch wenn die Rolllaeden vor den kleinen Shops hier oben heruntergelassen sind, reicht es, freundlich Namaste vor dem Nebeneingang zu rufen oder vor dem Auslagenfenster zu stehen, und schon kommt jemand herbei und wir bekommen Kekse und Schokolade verkauft, was uns die Tage versuesst.

Donnerstag, 16. April 2020

Da inzwischen 12 Corona Erkrankungen im Land nachgewiesen wurden, ist nun der Lockdown bis 27. April ausgedehnt worden. Nichtsdestotrotz haben wir vorgestern mit netten Menschen Anathas Geburtstag gefeiert: Mit einer Chinesin, einem Schweden, einem Franzosen, die mit uns hier im Haus sind,einer Französin aus der Nachbarschaft und der Gastgeberfamilie. Das war für uns alle eine willkommene Abwechslung!

Und bereits morgens überraschte uns die Gastgeberfamilie im Zimmer mit dem ersten Kuchen.

4. Mai 2020

Und am 27. April kommt noch eine Verlängerung des Lockdowns um 10 Tage. Wir sind jetzt seit über sechs Wochen hier oben auf „unserem“ Berg und das bedeutet nun insgesamt acht Wochen in Sarangkot ohne weiterreisen zu können oder längere Ausflüge und Wanderungen zu machen.

Die Verlängerung der Ausgangssperre packt mich fundamental. Tränen kommen hoch und fließen am Abend, an dem uns die Nachricht erreicht, und auch wieder am nächsten Morgen. Ich komme mir gegängelt und eingesperrt vor, starke Gefühle aus der Kindheit kommen hoch, Erinnerungen an Hausarrest, an Verbote, als Kind mit dem Roller nach Belieben durch die heimatliche Kleinstadt fahren zu dürfen. Ich spüre Trotz, Verzweiflung, Ohnmacht – schon lange habe ich nicht mehr so innerlich gelitten, so viel geweint. Ich erlebe das tiefe Tal der Verzweiflung, es zerreißt ­mir fast das Herz. Es ist unwichtig, dass ich ja spazierengehen und kleine Wanderungen hier oben unternehmen kann; das Gefühl des Ausgeliefertseins an größere Mächte überdeckt alles. Dazu kommt, dass ich diese Angst, ja Panik, in Verbindung mit dem Corona-Virus nicht verstehen kann. Das kommt mir so übertrieben vor, so ver-rückt. Zeiten der Schweinepest, Grippewellen habe ich alle überstanden und mich mit Vorsicht in der Öffentlichkeit bewegt, viel Hände gewaschen und mich geschützt, so gut ich konnte und mich damit gut gefühlt. Warum darf ich mich dieses Mal nicht eigenverantwortlich schützen? Staunend und kopfschüttelnd habe ich die weltweiten Entwicklungen verfolgt, komme mir vor wie im Mittelalter, als die Pest ausgebrochen war. Nur lag da die Sterblichkeit deutlich höher. Meine innere Aufruhr, wild durcheinander purzelnde Gefühle – all das bleibt eineinhalb Tage, dann legt sich der innere Sturm. Ich begreife wieder, dass es mir hier auf dem Berg doch sehr gut geht. Anatha, der die erneute Verlängerung die Laune verdorben hatte – auch wenn sie nicht ganz so litt wie ich – fühlt sich auch wieder ausgeglichen. Wir sind wieder gut gelaunt, froh beim Anblick der Natur um uns herum, dankbar für die gute Unterkunft, das abwechslungsreiche Essen und die freundlichen Wirtsleute. Wir nehmen das Meditieren wieder auf, bleiben im Hier und Jetzt.

6. Mai 2020
Anatha erzählt von einem Konzert während des Lockdowns

Eines morgens kam Nathalie, die mit einem Nepali verheiratete Französin, vorbei und teilte mit, dass sie und Alain, der hier im Hotel wohnt, in ein winziges Dorf in der Nähe gehen würden. Dort hatten ein paar Franzosen all diejenigen die Lust darauf hatten, zu einem Konzert eingeladen. So bin ich mit den beiden losgezogen und wir sind 300 Höhenmeter steil abwärts gewandert, meist über z.T. hohe Stufen aus Natursteinen, die sehr unbequem zu laufen sind. So sehen die typischen Wege hier aus und wir haben uns immer noch nicht wirklich daran gewöhnt….
Das Konzert fand in dem Haus statt, das die vier Franzosen angemietet haben. Sie wollten das Konzert erst öffentlich auf einem Platz und dann in der Schule des Ortes abhalten, aber wegen des Lockdowns wurde es ihnen nicht erlaubt. Vielleicht hatten die Autoritäten des Ortes Angst vor der Polizei und dass jemand die Nachricht vom unerlaubten Konzert weitersagen würde. Es gibt jedoch im ganzen Distrikt keinen einzigen Coronafall und alle wissen, dass es keine Ansteckungsgefahr in den Dörfern gibt. Das Konzert war als ein Dankeschön an die Dorfbewohner gedacht, weil sie die jungen Franzosen so offen aufgenommen haben; die Franzosen leisteten Freiwilligendienste im Dorf und daraus hatten sich Kontakte entwickelt. Sie sind froh, dass sie in dieser Zeit eine sinnvolle Beschäftigung neben ihrer Liebe zur Musik gefunden haben. Und so wurde ein buntes Programm von nepalesischen und internationalen Liedern neben Eigenkompositionen dargeboten. Drei nepalesische Mädchen erzählten in traditioneller Kleidung auf Englisch etwas über Touristen im Land; der Text war offensichtlich in der Schule auswendig gelernt worden. Später tanzten und sangen die drei, was sehr viel interessanter für mich war. Leider blieben wir in kleiner Runde, aber die Atmosphäre war entspannt und herzlich und ich habe die nepalesischen Menschen etwas besser kennengelernt und sie sind mir nähergekommen.
Nach der Veranstaltung ging es mehr als eine Stunde steil den Berg hoch zurück zu unserem kleinen Ort auf dem Berg. Ich habe mich trotz der Anstrengung des Weges sehr über den Ausflug gefreut, dann dadurch mehr über die nepalesische Kultur und die Menschen hier erfahren und natürlich war es eine willkommene Abwechslung in den acht Wochen des Lockdowns.

Aufmerksame Zuhörer

Nepalesische Mädchen

17. Mai 2020

Ein Freund hat uns vor kurzem gefragt, ob wir schon die nepalesische Staatsbürgerschaft hätten 😉- und tatsächlich fühle ich mich inzwischen zumindest hier im Dorf zuhause. Immer mehr Dorfbewohner grüßen uns, wenn wir bei ihnen vorbeigehen, das Ehepaar, das einen kleinen Kramladen hier oben hat, strahlt, wenn wir vorbeikommen und Kekse, Schokolade und Bier holen für die Abende auf unserem Balkon mit Blick auf das im Abenddunkeln funkelnde Pokhara.

Wir meditieren noch jeden Tag, mal weniger, mal mehr, gehen spazieren oder unternehmen kleine Wanderungen, bei denen wir auch hin und wieder neue Wege erkunden. Neulich waren wir mit Nathalie, der französischen Nachbarin, nochmals unten in Pandeli und haben uns die dort laufenen Projekte angeschaut. Anatha kannte ja schon das Haus, das für die gehandicappte Nepalesin erweitert wird, und dann sind wir zu einem weiteren Projekt gegangen, bei dem ein Gemeinschaftshaus für die Kooperative des Dorfes gebaut wird. Der Plan ist, dass dort das örtliche Gemüse gelagert und verkauft wird, Kunsthandwerk angeboten wird, die Frauen des Dorfes geschult werden und in einem kleinen Restaurant Essen angeboten werden kann. Eine Gruppe von jungen Franzosen baut an dem Gebäude und wird das Projekt fünf Jahre betreuen, bis die Dorfbewohner es alleine managen können.

Rohbau des Genossenschaftshauses

Der Weg nach Pandeli war anspruchsvoll: 300 Höhenmeter steil hinunter über viele unebene Stufen und dann in der Sonne wieder nach oben – da kamen wir schon etwas ins Keuchen… Aber der Ausflug war eine willkommende Abwechslung. Abgesehen von den Variationen bei unseren Spaziergängen und kleinen Wanderungen, üben wir uns darin, keine Eintönigkeit aufkommen zu lassen. Es gibt Waschtage, Zimmerputztage, Entspannungstage mit viel Lesen, intensive Meditationstage und Tage, an denen ich auch mal beim Mauerbau unserer Wirtsleute helfe, die neben dem Hotel Erweiterungspläne haben.

In Nepal steigt langsam die Zahl der Covid-19 Infizierten (knapp 300 Fälle im ganzen Land, entspricht 0,01% der Bevölkerung), wobei die meisten keine Symptome zeigen. Seit gestern gibt es einen ersten Todesfall in Zusammenhang mit dem Virus. Unten in Pokhara am See sind inzwischen die Polizisten sehr streng geworden. Ohnen triftigen Grund, darf man sich nicht in der Stadt bewegen. Als ich mit unserem Wirt vor 10 Tagen auf dem Motorrad nach unten fuhr, um Geld am Automaten abzuholen und ein paar Einkäufe in einem großen Supermarkt zu tätigen, wurden wir erst mal von Polizisten aufgehalten und mussten etwas warten, bis der Polizist mit seinem langen Schlagstock sich schließlich bequemte, uns durchzulassen. Vor dem Supermarkt hieß es erst Hände waschen, dann Hände mit Desinfektionsmittel einreiben, dann wurde ich angehalten, als ich mit Nabin, unserem Wirt, hineingehen wollte und es wurde bei mir Fieber gemessen… Im Laden gab es alle paar Minuten eine Durchsage, man solle sich 3 Meter voneinander entfernt halten, was keiner in den Einkaufsgängen beachtete. Aber an der Kasse sorgte das Sicherheitspersonal dafür, dass die Regel eingehalten wurden. Morgen wird vermutlich bekanntgegeben, wie es weitergeht in Nepal, wir lassen uns überraschen und sind immernoch der Meinung, dass hier auf dem Berg in Sarangkot ein guter Platz ist, die Entwicklungen abzuwarten.

Und jetzt ist es klar: Lockdown verlängert bis 2. Juni 2020.

Samstag, 6. Juni 2020

Wir sind immer noch im Lockdown in „unserem Bergdorf“ in knapp 1600 m Höhe auf der Spitze des Sarangkots. Als die vorletzte Verlängerung des strengen Lockdowns verkündet wurde, sank unsere Stimmung ziemlich. Ich fühlte mich „überentspannt“, das Meditieren tat mir nicht mehr gut und ich lechzte nach Abwechslung. Es ist jetzt Monsunzeit und regnet öfters tagsüber oder nachts, Blitze zucken und es donnert heftig. Wir beginnen, uns Gedanken über die Zeit nach dem Lockdown zu machen. Unser Ziel Indonesien und speziell Sulawesi rückt in weite Ferne, da es heißt, dass das Land erst Anfang Oktober wieder aufmachen will. Dieser ganze Corona-Wirbel nimmt uns die Freude am Reisen und einige Möglichkeiten am Weiterreisen, aber wir haben auch keine Lust, direkt nach Deutschland zurückzukehren. Da taucht plötzlich der Gedanke auf – ich weiß nicht mehr woher er kam – nach Europa zurückzukehren und Teneriffa zu erkunden. Wir gehen ja bereits seit einiger Zeit mit dem Gedanken um, Frankfurt zu verlassen und einen neuen Wohnort in der Natur, möglichst mit viel Sonne und Meer in der Nähe zu finden. Zuerst dachten wir an Südfrankreich, wohin ich durch meine ehemalige französische Brieffreundin und eine ehemalige Schulkameradin Kontakt habe. Dann aber setzte sich Teneriffa in unseren Köpfen fest. Wir entdeckten auf Facebook Insider-Gruppen von Teneriffa-Reisenden und nach Teneriffa Ausgewanderten. Wir meldeten uns in zwei Gruppen an und Anatha stellte uns und unsere Pläne mit einem kleinen Text in diesen Gruppen vor. Und siehe da, wir erlebten viel Resonanz, nette Antworten und es entstanden virtuelle Kontakte, wir wurden eingeladen vorbeizukommen, wenn wir es nach Teneriffa geschafft haben und wir beteiligten uns an einer Spendenaktion für die Ärmsten der Armen auf Teneriffa, die unter der Corona-Krise leiden und durch das soziale Netz gefallen sind. Unglaublich, es gibt so viel Tourismus und wohlhabende Touristen auf Teneriffa und doch kommt von den Geldern, die die Touristen dort lassen, wenig bei den Ärmsten an.

Mit diesen Plänen stieg unsere Laune wieder und wir setzten unser bereits begonnenes Lernen des Spanischen verstärkt fort. Außerdem sprachen wir mit unserer Wirtin hier im Hotel und fragten, ob es nicht doch irgendwie trotz des strikten Lockdowns möglich wäre, für drei Tage und zwei Nächte, runter an den See nach Pokhara zu fahren. Sie half uns, einen Fahrer zu finden, der bereit war, uns runter und wieder hoch zu bringen. Da fast oben hier am Berg eine Polizeikontrollstation ist, die man nicht umfahren kann, gaben wir als Grund an, nach 11 Wochen hier oben nach unten ins Krankenhaus zu müssen, um unsere Medikamente aufzustocken… Unser Fahrer war aufgeregter als wir, als wir am Polizeiposten halten mussten, aber nach etwas Zögern wurden wir durchgewinkt und unser Ausflug konnte beginnen. Da unten im Ort fast alle Touristen schon abgereist oder in ihre Heimatländer von den Botschaften zurückgeholt worden waren, hatten inzwischen schon viele Hotels geschlossen. Nach ein paar Stunden suchen im Internet, gelang es mir jedoch, ein kleines Familienhotel ausfindig zu machen, das bereit war, uns aufzunehmen. Wie wir dann feststellten, waren wir die einzigen Gäste im Haus.

Pokhara stellte sich als Geisterstadt da: die meisten Geschäfte waren geschlossen wie auch fast alle Restaurants. Ein paar Rollläden vor Kleidungsläden waren ein Stück hochgezogen und als wir hineingingen, um einzukaufen, wurde schnell der Rollladen hinter uns geschlossen. Im Handyladen wurden ebenfalls hinter geschlossenem Rollladen unsere Handys wieder aufgeladen für weitere vier Wochen; der Ladenbesitzer war sehr nervös und ängstlich, da er eigentlich keine Geschäfte machen durfte. Er horchte aufmerksam nach draußen und als draußen vor dem Laden undefinierbare Geräusche zu hören waren, hätte er mich am liebsten sofort ohne Handyaufladung wieder rausgeschickt. Dann zeigte er sich doch mutig, erfüllte unsere Wünsche und schob das Rollgitter vorsichtig wieder hoch. Da zeigte sich dann der Grund für die Unruhe vor dem Shop: zwei dicke Kühe standen direkt vor dem Laden und versperrten mir den Weg nach draußen! Hin und wieder begegneten uns jedoch wirklich Kontrollfahrzeuge besetzt mit Polizisten, die darauf achteten, dass der Lockdown eingehalten wurde und die Geschäfte geschlossen blieben. Da saftige Strafen auf Lockdown-Brecher warten, wie uns eine Restaurantbesitzerin erklärte, traut sich kaum jemand, gegen die Auflagen zu verstoßen.

Guter Einkauf: jetzt für die Monsunzeit ausgerüstet

Die Supermärkte waren offen in Pokhara und wir setzten brav die Masken auf, ließen uns einen Schwall Desinfektionsmittel über die Hände gießen und konnten Kosmetik, Schokolade, Wein und ein paar andere Dinge einkaufen, die uns das Leben versüßen sollten und ein bisschen Abwechslung in unseren Speiseplan oben im Hotel bringen würden. In einem einfachen Familienrestaurant, das versteckt in einer Nebenstraße liegt, bekamen wir auch etwas zu essen am ersten Tag und am zweiten Tag entdeckten wir, dass das Restaurant einer Französin, die seit Jahrzehnten in Nepal lebt, offen war. Offiziell durfte man nur Take-away an der Theke kaufen, dann konnten wir uns aber um die Ecke begeben und dann doch im Gartenrestaurant Platz nehmen und unsere Take-Away-Mahlzeit essen und einen leckeren französischen Rotwein genießen. Dieser Lockdown treibt seltsame Blüten… Genossen haben wir auch, dass ein kleiner Coffeeshop offen war und es dort mal wieder einen leckeren Capucchino gab. Was ein Fest nach 11 Wochen Nescafe!

Da bereits Monsunzeit ist, goss es hin und wieder in den drei Tagen heftig, aber einen Tag hatten wir ein nettes Gespräch mit einer Holländerin die in Kolumbien lebt und dort eine Sprachschule hat. Sie ist eine der wenigen Touristen, die das Ende des Lockdowns in Nepal erleben möchte – nicht nur, weil die Rückholflüge extrem teuer sind.

Insgesamt fanden wir die Stimmung sehr trist, wenn wir entlang der geschlossenen Geschäfte spazierten; Abwechslung brachte ein Abend mit einem schönen Sonnenuntergang am See. Der Fußgängerweg am See war belebt, es wurde Mais geröstet und verkauft, die Leute schlenderten in Gruppen am Wasser entlang und unterhielten sich lebhaft. Ein kleines Stück Normalität war zu spüren.

Nach zwei Übernachtungen und drei Tagen Geisterstadt Pokhara stiegen wir dann wieder in das Taxi zu unserem ängstlichen Fahrer. Er wiederholte am laufenden Band mit lauter Stimme für sich und für uns die Geschichte, dass wir im Krankenhaus waren und Medikamente geholt hätten, aber gesund seien. Und immer wieder meinte er, die nepalesische Polizei sei gefährlich. Als wir dann aber am Kontrollpunkt oben am Berg ankamen, schaute uns der Polizist kaum an und winkte uns sofort durch.

Jetzt sitzen wir wieder hier mit unseren Spanischlektionen und ich mit zwei neuen Büchern (Anatha liest e-books) aus dem dunklen, schwach erleuchteten Buchladen, dessen Rollläden natürlich ebenfalls geschlossen waren, in unserem altbekannten kleinen Hotel oben in Sarangkot und warten was passiert. Zwar steigen die Zahlen der Infizierten hier in Nepal weiterhin, aber die meisten wurden nur durch Tests als infiziert erkannt und haben keine Symptome, einige sind leicht erkrankt und derzeit sind es zehn Corona-Tote, die jedoch schwere Vorerkrankungen hatten. Erschreckend ist die hohe Zahl der Selbstmorde – viele Menschen sind so verzweifelt in einer ihnen ausweglos scheinenden wirtschaftlichen Situation, dass sie keinen anderen Weg mehr sehen aus der Misere.

Am 14. Juni ist der vorerst letzte Tag des Lockdowns. Da aber bereits in der Presse davon geredet wird, dass danach wieder Inlandsflüge aufgenommen werden und ab Juli dann auch die internationalen Flüge wieder anlaufen sollen, haben wir – wieder mal – etwas Hoffnung. Mal seh’n …

6 Gedanken zu „Nepal – lockdown und wir

  1. Tami

    Hallo Ihr 2,

    Folge immer wieder eurem Blog weiter und Eure Reise. Man kann sich das alles gar nicht vorstellen, wie Eure Träume platzen! Auch ich musste 6 Monate früher im März zurück nach Deutschland 🙁 habe gerade noch einen Rückholflug aus Sri Lanka ergattern können. Hoffe es geht Euch gut!!!

    Lg die Schwäbin mittleren Alters aus Laos (Slow Boat Tour)

  2. Gabriele Eilhelm-Eckerle

    Danke für Deinen Bericht liebe Eva! Für Euer Vorhaben mit Teneriffa von Herzen alles Gute!
    Bleibt gesund!
    Herzliche Grüße an Anatha und eine gute Zeit!
    Gabi

    1. eva Beitragsautor

      Herzlichen Dank, liebe Gabi, für deine guten Wünsche und deine aufmerksame Begleitung unserer Reise. Liebe Grüße von uns beiden

  3. Ingrid Tschirner

    Liebe Anatha, liebe Eva,
    ich habe gerade mal wieder nachgelesen, wo ihr zwei seid auf eurer großen Reise! Zwischendurch dachte ich schon mal, ihr hättet evtl abgebrochen und seid nach Ffm zurück gekehrt – aber ich lese, dass es euch recht gut geht! Prima! Ein ähnlich ruhiges Leben ist bei mir eigentlich auch eingekehrt, auf dem Land (Wetterau) geht es auch ruhiger als vor Corona zu, ich selbst bin viel im Garten und gehe sehr viel in der Umgebung meines Wohnortes spazieren, freue mich über die Natur, die man nun richtig genießen kann. Ich habe es natürlich auch gut, weil ich ja auch in Rente bin – nur meine kleinen Nebentätigkeiten sind weg gefallen. So langsam beginnt hier auch wieder ein Teil des „normalen“ Lebens und so beginne ich morgen zum ersten Mal wieder mit meinem (sehr kleinen, ziemlich privaten) Tanzkurs :-). Eigentlich sind Tanzschulen natürlich noch geschlossen! So ist es doch gut, liebe Anatha, dass du dir jetzt diese Zeit fern von Kursen und Frankfurt gönnst! Ich grüße euch zwei ganz herzlich und wünsche euch weiterhin Gesundheit und Freude auf eurer Reise und dass ihr noch Gelegenheiten bekommt zur Weiterreise mit schönen neuen Eindrücken! Ingrid (aus Ober-Mockstadt, Wetterau)

  4. Lisa Niemöller

    Liebe Eva und liebe Anatha,
    ich lese immer mal wieder in euren aufregenden Zeilen…
    freue mich, dass es euch gut geht und ihr in der Pandemie offensichtlich derzeit an einem guten Ort aufgehoben seid.
    Ich wollte es jedoch nicht versäumen , dir Anatha von ganzem Herzen zum Geburtstag zu gratulieren!
    Alles Liebe, Gesundheit! und weiter viele tolle Erlebnisse auf dieser wunderbaren Reise.

    Lieben Gruß Lisa

  5. Karla Stieglitz

    Liebe Eva, liebe Anatha,
    das habe ich gehofft, dass ihr das tut. Besser könnt ihr nicht aufgehoben sein, als in den Bergen des Himalaya und eurem Adlernest. Das Zimmer mit diesem Ausblick ist ein Geschenk.
    Hier herrscht das Chaos und man kann nur hoffen diesen Bedrohungen zu entkommen.
    Es gibt sogar einen witzigen Aspekt. Es wird wie wild Toilettenpapier gehamstert.
    Bleibt wo ihr seid, bleibt gesund und eine schöne Zeit für euch.
    Liebe Grüße von Karla und Gerlind

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