Kleine Erlebnisse

Seit gestern lächeln mein Vermieter und sein Vater über mich, genauer gesagt lachen in sich hinein, wenn sie mich sehen. Warum? Tja, ich hatte mein eigenes Nummernvorhängeschloss aus Deutschland mitgebracht und habe es aus Versehen anscheinend beim damit Hantieren verstellt. Als ich jedenfalls nur kurz um die Ecke war, um Wasser zu holen und das Schloss bei der Rückkehr wieder öffnen wollte, ging es nicht auf. Ich bat meinen Vermieter um Hilfe und der schnappte sich einen Holzhammer, einen alter verrosteten Eisenriegel und hämmerte das Schloss mit diesen einfachen Mitteln auf. Nach 5 Minuten konnte ich wieder in mein Zimmer. Seinem Gesichtsausdruck nach vermutete er, dass ich die Zahlenkombi vergessen habe … Jetzt nehme ich doch das vom Vermieter zur Verfügung gestellte Vorhängeschloss mit Schlüssel. Fazit: Schloss kaputt, Ruf ruiniert und um die Erfahrung reicher, wie schnell Schlösser zu knacken sind…

Heute ist wie auch schon gestern ein wolkiger, verhangener Tag, ab und zu regnet es ein bisschen und es ist gut, einen Schirm dabei zu haben. Der Arunachala ist nur zu ahnen hinter den Wolken. Und meine Wäsche auf der Leine im Garten hat eine Extraspülung bekommen. Mist!

Aber der Garten vor meinem Zimmer grünt ganz frisch und hat eine Kuh angelockt, die niemand vertreibt, denn sie ist ja heilig.

Es sind ca. 24° und ein angenehmes Lüftchen weht, für mich sehr gut auszuhalten, für die Inder ist das Winterfeeling und sie setzen ihre Mützen auf.

Beim Bummeln entlang der Straße kam ich wieder bei meinem freundlichen Obsthändler und seiner Frau vorbei. Wie immer schenkte er mir zu den 2 gekauften kleinen Bananen noch eine dazu. Ich bat die beiden um ein Foto und sie willigten ein. Wie immer, wenn man Fotos von Indern macht, schauten die beiden sehr ernst drein, das scheint sich so zu gehören. Als ich fertig war, strahlten beide wieder und lächelten breit. Das sind die kleinen Begegnungen, die mein Herz erwärmen.

Beim Weiterbummeln kam ich bei einem Straßenhändler vorbei und sah ein einfaches Armband aus Kupferdraht und Elefantenhaaren. Es gefiel mir und ich fragte nach dem Preis: 450 Rupien (umgerechnet 5,80 Euro) war die Antwort des jungen Händlers. Da Handeln ein großes Thema ist in Indien, bot ich 2oo Rupien und wir handelten eine Weile. Aus Erfahrung weiß ich, dass der Preis bei etwa der Hälfte des ursprünglich genannten Preises liegen sollte. Schließlich drehte ich mich um und meinte, ich wolle das Armband doch nicht (das ist die letzte Stufe des Handelns!) und wir einigten uns auf 220 Rupien. Das Armband ist mein!

Als ich am Abend zum Essen ging, zeigte mir der indische Kellner, dass er das gleich Armband trägt – und es kam raus, dass er nur 100 Rupien bezahlt hatte dafür… Er zwinkerte mir zu und meine nur lakonisch: Touristenaufschlag!

Auf dem Heimweg begegnete ich einer Gruppe von trommelnden Indern, die zwei über und über mit Blumen geschmückte Wagen in einen der Ashrams an der Straße geleiteten. Auf den Wagen befanden sich goldene Götterbilder und die Götter wurden freudig nach Hause begleitet. Hin und wieder stoppten die Wagen und es wurde getanzt.

Zum Frühstück habe ich heute Zeitung gelesen (The Hindu) und einen interessanten Artikel zu Indien gefunden: Auch wenn inzwischen oft vor allem von den Politikern verkündet wird, dass das Kastenwesen an Bedeutung verliert und alle Inder Chancen auf sozialen Aufstieg bekommen sollen, ist das Kastendenken doch noch fest in den Köpfen und im Alltag verankert und niedere Kasten vor allem die niedrigsten, die Unberührbaren (die Dalits), werden stillschweigend verachtet. Es ist die Aufgabe der Dalits, für die Sauberkeit auf den Straßen zu sorgen; sie gehen mit kleinen zweirädrigen Handwägelchen durch die Straßen und Gässchen und sammeln Müll ein. Oft sind sie von den städtischen oder dörflichen Verwaltungen eingestellt. In einem indischen Dorf namens Thirthahalli im Gebiet Karnataka hatte der Panchayat, der von der Dorfgemeinschaft gewählte Weise, die Idee, eine Theatergruppe zu gründen, die nur aus diesen Straßenreinigern besteht. Dies war ein voller Erfolg: Die Dorfbewohner sehen die Straßenreiniger mit neuen Augen, akzeptieren und achten sie als Schauspieler. Gleichzeitig steigt durch das Theaterspielen und die Aufführungen das Selbstbewusstsein dieser oft missachteten und übersehenen Kastenmitglieder. Laut Zeitung haben einige Mitglieder der Theatergruppe so ihre Alkohol- und Nikotinabhängigkeit überwunden. Ein kleiner, erfreulicher Schritt zur Veränderung der Kastengesellschaft.

Gerade schaue ich über die Brüstung des Cafés, in dem ich mich ausruhe und sehe die kleine Straße entlang. Wieder einmal wundere ich mich, wie die Stromleitungen in diesem Wirrwarr funktionieren können ohne dauernde Kurzschlüsse. Wieder einmal staune ich. Unglaubliches Indien!

Apropos Strom: Nach wie vor gibt es tagsüber und nachts Stromsperren, um Strom zu sparen, es bleibt dunkel in den Zimmern und Geschäften und die Ventilatoren gehen nicht. Zum Glück dauert das jeweils nur etwa eine Stunde hier in Tiruvannamalai.

 

3 Gedanken zu „Kleine Erlebnisse

  1. Tami

    Tolle Seite!!! Ganz lieben Dank für die tollen Eindrücke!! Sollte man als Frau durch Indien lieber nicht in kurzen Hosen und Shirt reisen? Überlege ja, evtl nach Indien zu gehen. Aber das ist ein Thema, das mich stark beschäftigt.

    Liebe Grüße

    „Die Schwäbin mittleren Alters aus Pak Beng“ 😅

    1. eva Beitragsautor

      Hallo, Tami, schön von dir zu hören! Geht es dir gut? Wo bist du jetzt? – In Indien haben wir uns immer an die strengeren Sitten gehalten und lange Hosen und Shirts mit wenig Ausschnitt und Ärmeln getragen, meist sogar Salwar Kamez, d.h langes Oberteil und Hose, getragen.
      Liebe Grüße
      Eva

      1. Tami

        Bin momentan auf Koh Phangan 🙂 oh, dann ist das wohl kein Land für mich 🙁 Habe hauptsächlich nur kurze Hosen und Tops dabei und Hitze und lang vertrage ich in Kombi nicht :(( Mist, hatte ich befürchtet 🙁

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