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Ánatha über Weihnachten in Kerala

Oft wurden wir zuhause gefragt, ob wir in Indien Weihnachten  feiern. Erst einmal gehen wir in Deutschland ja davon aus, dass Indien und Weihnachten nichts gemeinsam haben. Aber die Christen in Kerala sind sehr gläubig und Weihnachten ist sehr wichtig. Der 25.12. ist ein Feiertag. Christen stehen an dritter Steller der Religionen in Kerala und bereits im 1. Jahrhundert nach Christus haben sich syrische Christen in Kerala niedergelassen und dann kamen Portugiesen, Holländer und Engländer. Zurückgeführt wird das Christentum aber auf Thomas, einen der Jünger von Jesus, der hier gelandet sein soll und angeblich Brahmanen, also Hindupriester, missioniert hat.

Wir wohnten in der Nähe der katholischen Hauptkirche (Kathedrale) und konnten den durch Lautsprecher aus der Kirche übertragenen Gottesdiensten zuhören.
Kathedrale Santa Cruz

Genauso wie den Gesängen des Muezzins der ebenfalls nahe gelegenen Moschee. In Indien wird alles lautstark geteilt, egal was es ist. Wie wir mitbekommen haben, gab es jeden Tag zwei bis vier Gottesdienste, mal in der Landessprache, mal in Englisch. Die Kirchen sind außen mit viel Deko geschmückt. Es gibt im Innern des Kirchenraums einen geschmückten Weihnachtsbaum aus Kunststoff. Wir haben auch vor verschiedenen Privathäusern Weihnachtsbäume und ab dem 24.12. Krippen gesehen. Alle christlichen Häuser sind geschmückt. 
Weihnachtsbaum im Café                     Straßenmalerei

Gesungen werden traditionelle Lieder, poppige und gospelähnliche. Auf jeden Fall viel. Der stärkste Eindruck war die tiefe Frömmigkeit. Zum Beispiel gingen die meisten Gottesdienstbesucher nach der Messe zur Krippe mit dem Jesuskind und berührten es wie auch die Heiligen, die Glasvitrinen, in denen Heilige stehen, und führten dann die Hand an den Mund und die Stirn. Die gesamte Atmosphäre strahlt tiefe Gläubigkeit und Traditionsverbundenheit aus. Bei einem open Air Konzert mit rockigen christlichen Liedern wurde uns ein kleiner Comic über eine Bekehrung zugesteckt.

Wie uns ein deutsches Ehepaar erzählte, das bei einer Familie wohnte, wird an Heiligabend traditionell ein Kuchen angeschnitten. Die beiden wurden eingeladen, den Kuchen im Kreis der Familie mitzuessen und durften als besondere Ehre den Kuchen anschneiden.

Eva und ich haben uns an Heiligabend ein besonders gutes Restaurant geleistet mit hervorragenden Fischgerichten. Da jeder Tisch besetzt war, wurden wir an einen Tisch eines englisch-portugiesischen Ehepaars gesetzt, die von ihrer zweiwöchigen Autotour von Chennai bis Kochin quer durch Südindien mit einem angemieteten Auto und indischen Fahrer erzählt haben. Das wird hier vielfach angeboten und ist eine bequeme Art des Reisens und gleichzeitig wird viel über das Land erzählt und man sieht auch besondere Orte abseits von gängigen Touristenrouten. Die beiden haben in dieser Zeit Freundschaft mit dem Fahrer geschlossen und waren begeistert von dieser Tour von der Ostküste zur Westküste Südindiens.

 

 

Im Westen

Nach einem Flug von 1 ¼ Stunden von Chennai aus sind wir an der Westküste Indiens in Kochi (Cochin) gelandet. Unser Guesthouse liegt in Fort Kochi und es ist nicht weit zur Seepromenade und zum Ortskern. Es ist ziemlich touristisch hier, vor allem sind gerade auch für viele Inder Ferien und die Seepromenade ist voller Menschen verschiedenster Hautfarben und Nationalitäten und gleicht einem Jahrmarkt mit vielen Buden und Ständen, an denen z.B. Kleidung, Handnähmaschinen, Plastikspielzeug, Schmuck und Eis angepriesen werden. Fischer habe ihre Stände aufgebaut und man kann sich einen Fisch aussuchen und zu einem „You-buy-we-cook“ (Sie kaufen, wir kochen) Restaurant gehen und sich den Fisch zubereiten lassen. Die Zubereitungsstände sind meist offene Küchen am Strand.

 

Fort Kochi ist überschaubar mit kleinen idyllischen Gassen, netten Cafés, Restaurants aller Preisklassen und mit internationalem Essensangebot.

Wir haben uns die Synagoge und das jüdische Viertel im benachbarten Stadtteil angesehen, einen Tempel der Jains
von außen bewundert – es war keine Besuchszeit als wir da waren. Der Jainismus ist eine in Indien beheimatete Religion, die etwa im 5./6. Jahrhundert v. Chr. entstand. Der Jainismus geht davon aus, dass sich in der Welt zwei Prinzipien gegenüberstehen: Geistiges und Ungeistiges. Das Geistige beruht auf einer unendlichen Anzahl individueller Seelen (Jiva). Das Ungeistige umfasst die fünf Kategorien: Bewegung, Ruhe, Raum, Stoff und Zeit. Alles Stoffliche ist beseelt, nicht nur Menschen und Tiere, sondern auch Pflanzen oder Wasser. Die ursprüngliche Reinheit und Allwissenheit der Seele (Jiva) wird jedoch durch feinstoffliche Substanzen, die als Folge von Karma (Taten) eindringen, getrübt.

Morgens haben wir im kleinen Kreis den Morgenragas, die zwei brahmanische Musiker (Sänger und Trommler) anbieten, gelauscht. Ragas sind sehr alte traditionelle Musikstücke, die Tagesstimmungen und Gefühle wiedergeben und in den Tönen die Laute der Natur und von Tieren instrumental „nachmachen“. Ein achtsamer Start in den Tag für uns.

Kerala ist sehr bekannt für seine Backwaters, die vielen Flüsse, Kanäle und Seen. Es gibt unzählige Hausbotte und Angebote in allen Größen und Preislagen für Touren von einem oder mehreren Tagen. Wir haben uns für eine individuelle frühmorgendliche Halbtagstour in einer vollkommen touristenfreien Zone und im Kanu mit Führer entschieden, 
friedliche Stimmung
die ein Frühstück auf einer kleinen Insel, auf der nur 9 Familien leben, einschloss. Wir wurden dort freundlich empfangen, sprachen mit dem Dorfältesten, schauten seiner Frau beim Seilspinnen zu und durften selber mitmachen, sprachen mit einem Sänger, der in Tempeln religiöse Lieder singt und einen gewissen Bekanntheitsgrad in der Gegend hat (an der Wand hing ein Poster, das einen seiner Auftritte ankündigte) und hatten ein köstliches Frühstück mit Reis, Gemüse, Ei auf einem Palmenblatt. Dazu gab es einen leckeren Gewürztee.

  Kochstelle

Der Sänger

Bei der Seilemacherin

Der Führer erzählte uns auch einiges über Kerala allgemein. Fast alle Menschen in diesem Staat können lesen und schreiben, es gibt viele Christen, aber alle Religionen leben friedlich zusammen, manche Hindus geben auch zu den Gottesdiensten in Kirchen und umgekehrt besuchen Christen Zeremonien im Hindutempel. Andererseits sind in Kerala fast in jedem Ort Kommunistische Fahnen, Poster und Embleme zu sehen. Der Staat Kerala ist ein kommunistische und christliche Hochburg: Unglaubliches Indien… Insgesamt macht Kerala einen viel westlicheren Eindruck als der Staat Tamil Nadu. Die Einflüsse westlicher Kulturen seit vielen Jahrhunderten (Portugiesen, Holländer, Engländer) sind deutlich spürbar.

Wir haben hier viele schöne Kirchen gesehen und ganz in der Nähe der Santa Cruz Basilika gewohnt, in der jetzt an den Weihnachtstagen viele Gottesdienste stattfanden.        Weihnachtsbäume

Die Krönung unseres viertägigen Aufenthalts in Kochi war eine Kathakali-Tanzaufführung. Kathakali (ein „Geschichtenspiel“ ist eine sehr alte Tanzform, die dramatische Geschichten, Tanz zu Originalmusik mit echten Musikern sowie Rituale verbindet. Die Kostüme sind sehr aufwändig und bunt und alle Rollen werden von Männern getanzt, auch die Frauengestalten.

Eine Stunde vor Beginn der Aufführung konnten wir bereits in das wunderschöne Theater und den Tänzern zuschauen, die sich akribisch auf der Bühne schminkten.

 

Mit einer kleinen Puja (religiöse Zeremonie) wurde die Aufführung begonnen, nachdem der Boden des Theaters und die Skulptur des Gottes Shiva geschmückt worden waren.

Dann wurden einige Gesten und Mudras erklärt, es wurde gezeigt, wie subtile Augenbewegungen und Bewegungen der verschiedenen Gesichtsmuskeln deutlich Stimmungen ausdrücken und wir sahen dann einen einstündigen Auszug aus einer Aufführung, die sonst 6-7 Stunden dauert.

Das Trommeln wurde in den dramatischen Sequenzen ohrenbetäubend laut, so dass ich mir die Ohren zuhalten musste. Es war jedoch eine fesselnde Aufführung, die uns zum Staunen brachte.