Archiv der Kategorie: Indienblog

Reisevorbereitungen, Reiseerlebnisse

Akklimatisierung

 

Es ist heiß, sehr heiß in Mahabalipuram oder Mamalapuram, wie noch viele Hiesige sagen. Von 8° C in Deutschland auf 30-32° C ab Verlassen des Flugzeugs in Chennai ist es ein gehöriger Sprung, entsprechend schlecht schlafe ich auch, am Anfang auch wegen der Zeitumstellung: Ich bin 4 ½ Stunden der Zeit in Deutschland voraus. Aber die Nächte in Mahabs sind schwül. Die ersten beiden Tage tropfe ich wie ein Wasserhahn und bin froh, im kräftigen Wind am Strand vom Golf von Bengalen zu laufen und mich durchpusten zu lassen. Der Sand ist fein und es macht viel Spaß, barfuß zu laufen. Aber wie so oft in Indien ist der Strand nicht nur im Bereich der Fischer und ihrer Boote  sondern auch weiter außerhalb ziemlich schmutzig – nicht nur feine Teerreste sind zu finden, die die Fußsohlen schön schwarz machen, sondern es liegen tote Fische und Plastik aller Art herum. Glückstreffen am zweiten Tag: Ich habe eine Rupie gefunden. Zur Verschmutzung kommt noch, dass sich die Fischer ungeniert ans Wasser hocken, ihren Doti, das typisch indische Wickeltuch für Männer, hochschieben und sich erleichtern. Ist mir immer wieder peinlich, wenn ich gerade daran vorbei muss.

Trotz akutem Schlafmangel geht es mir ganz gut, die kräftigen Gewürze in den Curries und Biryanis sind zwar auch gewöhnungsbedürftig, aber das soll ja auch alle Bakterien töten… Ich verbringe viel Ruhezeiten, vor allem um die Mittagszeit, liege lesend auf dem Bett oder sitze auf dem luftigen Balkon; abends aber eher kürzer, da die Moskitos ab dem Dunkelwerden auf mich lauern. Trotz Insektenschutzmittel komme ich nicht ungeschoren davon. Zwei bis drei Mal am Tag wandere ich durch die engen Gässchen der Fishermen’s Colony, wie das kleine Viertel heißt, in dem ich wohne, stolpere immer noch über die vielen Hemmschwellen auf den betonierten Gässchen, die die Mopedfahrer bremsen sollen, und suche meinen Weg zu denjenigen Cafés und Restaurants, die bereits geöffnet sind. Es ist noch nicht Hauptsaison und es wird viel renoviert und neu gebaut für den erwarteten Touristenandrang ab Dezember. Die Dächer auf den Rooftops (Dachterrassen) werden abgedeckt und wenn man nicht aufpasst, fliegt einem schon mal ein Bündel alter Schilfrohre, die zum Decken der Terrassendächer verwendet wurden, vor die Füße. In Kürze werden die neuen Schilfrohrbündel angeliefert und alles nach oben transportiert – wer Geld hat, baut sich ein Wellblechdach.

 

Auf dem Rückweg vom Essen halte ich dann an einem der vielen „Loch-in-der-Wand-Läden“, die so typisch sind für Indien: Klein wie ein Kellerraum, vollgepackt mit Keksen, Süßigkeiten aller Art und Flaschen mit Trinkwasser und weiteren kleinen Dingen, je nach dem, was die Nachbarschaft so nachfragt, denke ich. Inzwischen kennt mich die Inderin schon, greift ungefragt in ihre Kühltruhe und holt eine 2-l-Flasche raus. Fürs Frühstück, zu dem ich kaum etwas esse – es ist morgens schon so heiß -, nehme ich heute noch Cashew-Mandel-Kekse mit.

Wie überall in Indien arbeiten die Frauen auf dem Bau, schleppen Sand herbei, tragen Ziegelsteine (auf dem Kopf) und wenige Meter weiter sehe ich von meinem Fenster aus ein halbes Dutzend Männer im Schatten einer Wand unter einem Baum sitzen und den ganzen Tag Karten spielen. Unglaubliches Indien – das gilt auch für das Nebeneinander von Schmutzhaufen, zum Trocknen ausgelegten Fischen und Knoblauchzehen sowie Stein- und Sandhäufen von irgendwelchen Umbauten, die längst abgeschlossen zu sein scheinen. Jedes Mal, wenn ich aus Indien zurück nach Deutschland komme, schießt mir der Gedanke durch den Kopf: „Ja, hier könnte man von der Straße essen…“.

Da ich die Touristenstätten in Mahabalipuram bereits kenne, gehe ich nicht nochmal zu dem berühmten Seetempel oder zu Kirshna’s Butter Ball, der an einem schrägen Hang unerklärlich fest steht, aber so aussieht, als würde er jeden Moment nach unten rollen, und einigen kleineren Tempeln in der Gegend. Nur die wunderschönen steinernen Wandskulpturen, die jedes Jahr nach Weihnachten als Kulisse für ein Tanzfest dienen, zu dem Tänzerinnen und Gruppen aus vielen indischen Bundesstaaten anreisen, sehe ich mir noch einmal an (siehe die Fotos auf der Fotoseite. Meine Akklimatisierung hier am Ort neigt sich dem Ende zu. Entschleunigung klappt auch schon ganz gut – die Südinder sind da ein gutes Vorbild.  Morgen werde ich nach Tiruvannamalai, einem spirituellen Ort mehr im Landesinneren fahren und dort nach einer neuen Unterkunft suchen. Mal sehen, was ich finde.

 

Angekommen

Puh, 9 1/2 Stunden Flug sind überstanden! Dank des Bordkinos – zwei Spielfilme gesehen – und der mitgebrachten Lektüre ging der Flug schnell vorbei. Das Flugzeug war zu 90 Prozent von indischen Reisenden besetzt: junge Männer in Jeans und T-Shirts, die in Deutschland arbeiten und vermutlich zu Ihren Familien  flogen auf Besuch, ältere indische Ehepaare, die auf dem Flughafen seltsam deplatziert wirkten – wie aus einer anderen, uns Westlern unbekanten Welt– Wahrscheinlich waren sie auf Besuch bei Verwandten und flogen jetzt  nach Südindien zurück: die Frauen im traditionellen Sari und dicke Schals darüber, die Männer in Hosen und T-Shirts oder Hemden und dicke Jacken darüber, das kalte Deutschland war sicher ein Erlebnis für sie, denn in Chennai sollte es bei der Ankunft kurz nach Mitternacht Ortszeit 28 Grad warm sein.

Nach der Landung und dem nervigen Anstehen am Schalter der Einwanderungsbehörde ging es dann zum Gepäckband. Ich machte einen kleinen Umweg über die Damentoilette und zog mir indische Kleidung an: eine weite orangefarbene Hose und ein langes weißes Blusenähnliches Oberteil mit einem Schal, mit dem die Frauen in indien den Brustbereich bedecken. Mein Rucksack, den ich für den Flug in eine Rucksackhülle gesteckt hatte, kam ziemlich schnell aufs Gepäckband und ich machte mich auf den Weg nach draußen. Ich hatte über meinen Vermieter, den Besitzer eines sehr kleinen Gästehauses (2 einfache Zimmer)  in Mahabalipuram, ca. 80 km südlich von Chennai an der südlichen Ostküste Indiens eine Abholung bestellt und es klappte: der Fahrer stand mit einem großen Zettel, auf dem mein Name stand, am Ausgang und rettet mich vor den anderen Fahrern, die sich auf mich stürzten, sowie ich die Nase aus dem Flughafengbäude steckte und die auf eine Verdienstquelle gehofft hatten. Vor 5 Jahren, als ich zuletzt in Indien war, war der bestellte Fahrer nicht aufzufinden und ich musste mir selber eine Mitfahrgelegenheit suchen: Ein Kleinbusfahrer nahm mich mit, da er auch nach Mahabalipuram wollte wie ich und unterwegs lud er nach und nach 4 müde, schweigende Männer ein, die alle in meine Richtung wollten. Ganz wohl war mir bei diesem Abenteuer damals nicht: im Dunkel der Nacht mit schweigsamen Indern 1 1/2 Stunden in einem fremden Land unterwegs…

Muthu mein Fahrer dieses Jahr stürzte sich mit mir in das Gewimmel der hupenden und sich vom Flughafen weg drängelnden Autos und Tuk-Tuks und eine Stunde später waren wir beim Gästehaus. Auch hier klappte alles, ein junger Inder war informiert über meine Ankunft und zeigte mir mein Zimmer: 16 m2, gefließt wie meistens in indischen Einfachunterkünften, möbliert mit einem Bett, einem Plastikhocker als Nachtisch, einem winzigen Tisch und – oh Luxus – einem Wasserkocher sowie zwei Korbhockern als Sitzgelegenheit. Ich habe auch einen kleinen Balkon und ein kleines Badezimmer, in dem mich die typisch indischen, durchdringenden Gerüche der Desinfektionsmittel empfingen. Immerhin gab es sogar eine westliche Toilette, was nicht selbstverständlich ist. Das Toilettenloch im Boden ist noch weit verbreitet… Bei den südindischen Temperaturen gibt es natürlich fast nie Warmwasser und so ist es auch dieses Mal hier: eine Kaltwasserdusche (laues Wasser aus dem Tank vom Dach) erfrischte mich und ich legte mich erschöpft vom langen Flug und der Klimaumstellung aufs Bett. Selbst der dünne Schlafsack ist fast zu warm, zumal es eine Luftfeuchtigkeit von 85% hat. Hier war es nach 2 Uhr nachts, in Deutschland halb Acht Uhr abends und ich muss mich noch an die Zeitverschiebung gewöhnen… schlafen gelingt mir noch nicht so richtig, aber Hauptsache ich kann mich ausstrecken und ausruhen; bin gespannt, wie es morgen bei Tageslicht hier aussieht.

Blog Indien – der Anfang

Reisevorbereitungen (26.08.2017)

Indien – erst war es nur so ein Gedanke: Nach Rentenbeginn fahre ich endlich wieder einmal nach Südindien! Das Land, in dem ich immer nur minimalistisch gelebt, auf harten, nach Mottenpulver riechenden Matrazen geschlafen habe, viel barfuß ging und fast immer das Gleiche an hatte: einen Salwar Kameez – nur die Farben wechselten und die wenigen Verzierungen der Oberteile unterschieden sich je nach gewähltem Hemd. 

Und dennoch:  Indien fühlt sich seit dem ersten Tag, an dem ich meinen Fuß auf indischen Boden setzte am Flughafen Chennai, wie Heimat an. Und bei jedem Besuch immer wieder dieses Gefühl des Nach-Hause-Kommens. Warum nur – werde ich es jemals herausfinden?

Nach 40 Jahren Berufstätigkeit, angestellt und selbständig, war es Zeit, die Segel neu zu setzen und wo anders als in Indien konnte das sein. In Indien, dem Land der Sinnsucher, Gurus, des Meditierens und der tiefen im Alltag verwurzelten Religiosität.

Knapp ein Jahr vor Rentenbeginn kam der Gedanke auf und rückte mit jedem Monat näher und wurde konkreter. Zuerst legte ich ein halbes Jahr vor dem geplanten Start die Reisedaten für den 2-monatigen Aufenthalt fest, dann buchte ich die Flugtickets. Mir dämmerte: Aha, jetzt wird es etwas mit der Reise. Dann war es über Monate eine beschlossene Sache, die aber im Alltag immer wieder in den Hintergrund rutschte.

Und nun sind es nur noch 2,5 Monate und weitere konkrete Maßnahmen  stehen an: Impfungen, Überlegungen, was ich mitnehme in meinem minimalistischen Gepäck, einem Rucksack (40x50x20 cm), Visumsantrag vorbereiten und die freiberuflichen Tätigkeiten auf „Fernbeziehung“ umstellen – zwei Monate werde ich digitale Nomadin sein. Das Notebook wird mit Fernzugang zum PC in der Heimat ausgestattet, die wichtigsten Zugriffe und Zugänge über Internet eingerichtet, z.B. auch auf diese Website und natürlich auf die Mails.