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Der Hinflug

Reisen ist immer ein Schritt –mindestens ein kleiner Schritt und manchmal ein großer– ins Ungewisse und Unbekannte… So saßen wir auf dem Flughafen in Jeddah (Saudi Arabien) und warteten auf den Anschlussflug. Auf derAnzeigetafel stand nichts von unserem Zielort, obwohl viele Flüge für die nächsten Stunden angezeigt wurden. Überall saßen und teilweise lagen Pilger, die offensichtlich aus dem nahegelegenen Mekka gekommen waren, und warteten ebenfalls auf Flüge. Das Gebäude quoll über vor Pilgern und Pilgerinnen. Die Frauen trugen rote, gelbe und beige Kopfbedeckungen, auf denen der jeweilige Reiseveranstalter aufgedruckt war.

Wir flüchteten uns unerschrocken in eine ruhige Lounge für First-Class- und Geschäftsreisende, überprüften immer wieder die Anzeige für die Abflüge und sahen uns ratlos an. Was tun? Der vergangene 5 ½ stündige Flug vonFrankfurt hatte uns müde gemacht. Schließlich machte sich Ánatha auf die Suche nach einem Flugschalter der Saudi-Arabian Airline, mit der wir fliegen sollten. Der Angestellte am Schalter hatte unser Flugziel Kozhikode im nördlichen Teil des Bundesstaates Kerala noch nie gehört und telefonierte herum. Wir wussten, dass unser Ziel ein erst vor kurzem eröffneter Flughafen war. Und tatsächlich: Nach einem Telefonat des Airline-Angestellten versicherte dieser, dass der Flug bald angezeigt werden würde. Fünfundvierzig bange Minuten später erschien unsere Flugnummer auf der Abflugtafel,  allerdings mit dem Reiseziel „Offline Point“ … Uns blieb nur zu hoffen, dass unser geplantes Ziel sich dahinter verband.

Das Gate fürs Einchecken wurde pünktlich geöffnet und wir wurden – eingequetscht zwischen unzähligen Pilgerinnen und Pilgern – durch die Kontrolle geschleust. Das war ein Gedränge und Geschiebe. Vor mir sah ich Ánathas blauen Rucksack, an den sich einer der Südinder eingehängt hatte. Die Stewardess an der Flugzeugtür war höchste genervt, da sie von den wuselnden Pilgern fast überrannt wurde und wiederholte andauernd: „Please wait“ – bitte warten – was nicht viel Wirkung zeigt. Es sah so aus, als ob sie von einem Heer von Ameisen überrannt wurde. Die Pilger drängten ins Flugzeug und viele waren anscheinend Analphabeten, die weder ihren Sitzplatz auf der Boarding Card erkennen konnten, noch die entsprechende Platzreihe und Sitznummer über den Sitzplatzen ablesen konnten.

Schließlich war das Gewusel kanalisiert und alle saßen; die Flugzeugtüren gingen endlich zu. Schon als wir auf dem Rollfeld auf den Abflug warteten, wurde rings um uns Husten laut. Die meisten Pilgerinnen und Pilger waren erkältet. Ich fragte mich, ob ich nun in einem Pilgerflugzeug oder in einem Krankentransport saß.

5 /2 Stunden später landeten wir wirklich wie geplant in Kozhikode, dem neuen internationalen Flughafen. Das Check-in war angenehm, alle Beamten waren freundlich und gelassen, unterstützten uns beim Ausfüllen des Formulars, das immer nach dem Landen für die endgültige Zugangsberechtigung ausgefüllt werden muss: Passdaten, Reiseziel, Telefonnummer der gebuchten Unterkunft usw. wurden abgefragt. Die Inder sind Verwaltungshelden – der englische Einfluss.

Unser Taxifahrer vom Guesthouse wartete jedoch lächelnd am Ausgang wie geplant. Wir waren endlich in Indien, meinem Lieblingsreiseland!

 

 

Heimreise

Unsere Heimreise dauerte 1 1/2 Tage. Morgens um 9 Uhr verließen wir unsere letzte Unterkunft in Nedumbassery 10 km vom Flughafen Kochi entfernt und flogen nach Chennai. Bei der Gepäckaufgabe klappte alles schnell und reibungslos, aber als wir zum Sicherheitscheck mit unserem Handgepäck gingen, stand dort eine lange Schlange, genauer gesagt waren es zwei Schlangen: eine für die Männer und eine für die Frauen. Vor uns stand eine Engländerin, die ganz angespannt war und ihrem Mann in der anderen Reihe dauernd zurief: Wir verpassen den Flug!“ und er lächelte nur und meinte: „Ist doch noch Zeit.“ Schließlich riss der Engländerin der Geduldsfaden, weil sich in der Frauenreihe nichts bewegte und sie wechselte einfach zu den Männern hinüber – und stand dann dort genauso lange in der Schlange.

Der Grund für das langsame Vorangehen am Gepäckscanner war eine Gruppe von 4 oder 5 indischen Frauen, die genaue Zahl bekam ich nicht raus, weil sie dauernd in der Gruppe in Bewegung waren und eine nicht enden wollende Anzahl von Handgepäcksstücken auf das Band zum Scanner warfen: kleine Handtaschen, größere Taschen, kleine Koffer und das alles in einem Berg, der das Förderband zum Scanner blockierte. Nach einer gefühlten 1/4 Stunde hatte sich dieser Knoten aufgelöst und wir kamen an die Reihe. Die Polizistin, die den Bodycheck durchführte, winkte mich rein bevor Ánatha raus war aus der Kabine und verwickelte uns in ein Gespräch, woher wir kamen, was unsere Berufe waren usw. Dabei verlangte sie, dass ich sogar meine Bauchtasche, die ganz schmal war und nur Bordkarte, Pass und Geldbeutel enthielt aufmachte. Mit flinken Fingern checkte sie überschlagsweise sogar die Zahl meiner Geldscheine im Geldbeutel. Ich ließ ihre Hand nicht aus den Augen – ganz wohl war mir nicht bei ihrem gründlichen Check, aber schließlich schickte sie uns weiter.

Der Flug von der Westküste und dem arabischen Meer bis nach Chennai an der Ostküste und am Golf von Bengalen dauerte nur 1 1/4 Stunden und wir kamen bereits kurz nach 12 Uhr mittags im Inlandsflughafen von Chennai an. Wir fragten einen Flughafenbediensteten, wie wir zum Internationalen Flughafen kommen könnten. Er winkte uns, mitzukommen und brachte uns zu zwei jungen Leuten, die vor dem Flughafenausgang standen und dazu da waren, Reisenden beim Transfer weiterzuhelfen. Da der kleine 4rädrige Elektrotransportwagen gerade unterwegs war, kamen wir ins Gespräch beim Warten und erzählten, dass unser Flug nach Frankfurt erst mehr als 12 Stunden später wäre und wir nicht so recht wüssten, was bis dahin tun, da wir ja auch das Gepäck bei uns hatten. Als wir nach einem Ruhe- oder Aufenthaltsraum für uns fragten, meinte der junge Mann, das gäbe es schon, aber das sei recht teuer und er würde uns vorschlagen, das Gepäck bei der Gepäckaufbewahrung aufzugeben und dann mit der U-Bahn ein paar Stationen bis zu einer großen Shopping-Mall, einem mehrstockigen Einkaufszentrum zu fahren und dort die Zeit zu verbringen. Dort könnten wir sogar englische Filme anschauen, wenn uns langweilig würde.


Unsere Transit-Helferin

Wir ließen uns den Namen der betreffenden U-Bahn Station aufschreiben, steigen dann in den Transportwagen hinüber zum nahgelegenen internationalen Flughafen, gaben unser Gepäck auf halber Strecke bei der Gepäckaufbewahrung ab und stiegen dann in die U-Bahn-Station am Flughafen. Die U-Bahn schien ganz neu zu sein und es war ganz einfach, ein Ticket zu lösen, das richtige Gleis zu finden, und zu unserer Überraschung gab es auf dem Bahngleis eine Markierung, die zeigte, dass Männer- und Frauenwagen getrennt waren.
Anzeige des Bereiches „Nur für Frauen“

Sechs Stationen weiter stiegen wir aus der U-Bahn, gingen ca. 100 Meter eine ganz ruhige Seitenstraße entlang – wir konnten kaum glauben, in Chennai zu sein, da weder in der U-Bahn noch auf dieser Straße viele Menschen unterwegs waren – und waren bereits in der Shopping Mall. Zuallererst viel uns ein riesiger Supermarkt ins Auge – Marke Spar; so weit ist bereits die Globalisierung im Wirtschaftssektor.

Wir merkten, dass wir langsam Hunger bekamen und fragten eine Inderin, die anscheinend zum Personal dieses Gebäudes gehörte, wo wir etwas essen könnten. Sie gab uns ein paar Tipps und wir machten uns auf den Weg durch das Gebäude. Und wir staunten nur: Hier war das moderne Indien, das Indien, das auf dem Weg ist, die drittgrößte Macht der Welt zu werden.

Im obersten Geschoss befand sich der Palazzo, ein Bereich mit 8 Kinos und einem Restaurant, in dem wir gerade noch rechtzeitig ankamen und uns ein Essen am Buffet holen konnten. Wir staunten nur über die Gestaltung des Bereiches: alle westlichen Klischees wurden mit den Bildern bedient, es gab thronähnliche Sitzgelegenheiten, überall Marmor und Kristallleuter …

Wir genossen noch einmal typisch indisches Essen vom Buffet –

– und aßen dieses Mal mit Messer und Gabel (sonst hatte ich öfters wie die Inder mit der rechten Hand mein Essen zusammengemanscht und in den Mund gesteckt mit dieser wunderbaren Technik: Essenskloß auf Zeigefinger und Mittelfinger schieben und ihn dann mit dem Daumen in den Mund schubsen.

Der Bereich mit den Handwaschbecken vor den Damentoiletten:

Anschließend bestaunten wir wunderschöne indische Damenkleidung, wie Saris und vor allem Salwar Kamez. Wie in deutschen Kaufhäusern gab es verschiedene Boutiquen mit besonderen Labeln, die ihren ganz eigenen Stil entwickelt hatten. Traumhaft schöne Kleidung zum Teil.

Da noch viel Zeit war bis wir zum Flughafen mussten, ging ich zum Friseur und ließ mir von einem Top Stylist die Haare schneiden, immerhin ein Drittel günstiger als in Frankfurt.

So verging uns die Zeit ziemlich schnell. Wir kamen ohne Schwierigkeiten mit der U-Bahn zurück zum Flughafen, erhielten unser Gepäck  aus der Aufbewahrung und traten den 10-stündigen Rückflug an. Da der Start um 2 Uhr nachts war, konnten wir gleich schlafen nach diesem langen Tag und kamen ohne größere Turbulenzen um 7 Uhr Ortszeit in Frankfurt an. Jetzt war der Urlaub wirklich zuende – und ich träume schon wieder von einer Rückkehr nach Indien, in dieses so faszinierende, vielschichtige, vielseitige, wunderbare Land.


Wieder zuhause

 

 

 

 

 

Noch 2 Tage Indien

Unsere letzte Unterkunft in Indien liegt inmitten einer schönen Landschaft mit Nutzpflanzen. Wir haben die letzte Zeit in Indien mit Spazierengehen, Besuch eines 800 Jahre altenTempels in der Nähe

und Sitzen am Fluß verbracht.

Die Menschen, die uns begegnen, sind sehr offen und freundlich – nicht nur die Kinder – und lachen viel.

Muskatnussbaum

Curryblätterbaum

junge Bananenpflanzen

Bananenstaude mit noch grünen Früchten

  

Kokospalmen und Reisfelder (oben) und Blumenpracht (unten)

Z

Ich fahre mit einem lachenden und einem weinenden Auge nach Hause – nach 2 Monaten in Südindien habe ich noch immer nicht genug von diesem Land und seinen Bewohnern. Beim Reisen hat sich jedoch gezeigt, dass ich von meinem ca. 35 Jahre alten Rucksack Abschied nehmen musste. Zurück komme ich mit einem größeren Traveller-Rucksack – weiteres Reisen nicht ausgeschlossen!

links neu (55 l) – rechts alt (ca. 45 l)

 

 

Anatha: Herrschaftliches Wohnen im Dorf …

… 8 Km vom Flughafen Kochi entfernt)

Wenn man unterwegs und auf Reisen ist, dann ist die Unterkunft sehr wichtig. Sie ist Schlafplatz, Rückzugsort, Erholung und „Waschplatz“ für Körper und Kleidung. Es trägt sehr zum Wohlfühlen in einem Land bei, wenn man damit zufrieden ist.

Wir haben immer im Voraus gebucht, telefonisch oder per Mail. Gewohnt haben wir in 5 Unterkünften während der 3 Wochen, davon 10 Nächte in Varkala. Jetzt sind wir in einem sogenannten Homestay – bei einer Familie in einem Dorf. Da wir die letzte Nacht nicht direkt am Flughafen verbringen wollten, haben wir uns für diese Möglichkeit in der Nähe des Flughafens aber auf dem Land entschieden und bleiben 2 Nächte. Das Haus ist eine einstöckige Villa mit einem großen Garten und Baumbestand, direkt an einem ruhigen Fluss.

Wir fühlen uns 100 Jahre zurückversetzt in alte Zeiten. Wir können an einem schön gestalten Platz am Ufer sitzen. Oft sind nur die Vögel zu hören. Ich war in Indien noch nie an einem so schönen, idyllischen Ort.

Es gibt Frühstück dazu, indisch oder westlich – wie man möchte. Ein Abendessen kann bestellt werden, entweder vegetarisch oder mit Fisch. Die Familie ist christlich und besteht aus dem sehr hilfsbereitem Vater, der für die Unterkunft verantwortlich ist und im Ayurveda Bereich organisatorisch arbeitet. Die Mutter arbeitet als Krankenschwester auf der Entbindungsstation im Krankenhaus in der nahegelegenen Stadt. Dazu kommen der quirrlige zweijährigen Sohn und die zurückhaltende Großmutter.

Das Haus hat einen sehr repräsentativen Eingang, innen hat es Marmorfußboden, eine schön geschwundene breite Marmortreppe mit schönem Holzgeländer in den 1. Stock. Alles sieht edel aus. Wir können auch den großzügigen, fein gestalteten Balkon benutzen.

Unser Zimmer hat Aircondition und einen Ventilator. Neu gebaut wurde es 2014, auf uns machte es zu Anfang eher den Eindruck eines alten Familienbesitzes. Der Hausherr hat erzählt, dass er seine Familie bis zum Jahr 1814 an diesem Platz zurückverfolgen kann und der vor ein paar Jahren das alte Haus abreißen ließ, um neu zu bauen. Die Familie lebt im rückwärtigen Bereich des Hauses. Dort sieht es sehr indisch und sehr einfach aus. Man kann eine kleine Küche mit einer Propangasflasche und typischem Edelstahlgeschirr sehen, viel Wäsche auf der Wäscheleine (wie übrigens überall),  und allerlei Haushaltsgegenstände stehen und liegen herum. Eine kleine Hühnerschar läuft im Garten hinter dem Haus herum. Es macht den Eindruck, als würden dort die Bediensteten wohnen. Aber vielleicht ist auch nur ihr Hinterhof mit Outdoorküche. Unser Essen wird dort nicht gekocht. Es wirkt jedoch so, als ob die Gäste das Beste bekommen und sie leben im Hinterhaus.

Im Moment sind wir die einzigen Gäste (es gibt aber auch nur zwei Zimmer), aber es kommen Menschen aus der ganzen Welt. Im europäischen Winter sind die Westler hier, zur Regenzeit im europäischen Sommer kommen die Araber aus dem mittleren Osten, z. B. Dubai. Dann sind es dort bei ihnen zuhause 50 Grad. Für uns ist das Wetter in Indien zur Regenzeit sehr unangenehm, für sie schön kühl. Sie kommen für Ayurvedabehandlungen sowohl für die Gesundheit, für Wellness-Behandlungen aber auch für Zahnbehandlungen u. ä., weil das in Indien viel preiswerter ist.

Mit ungefähr 26 Euro pro Nacht mit Frühstück für uns zwei ist das die teuerste Unterkunft, dafür leben wir „fürstlich“. (Im Preisvergleich: wir haben sonst zwischen 10 – 16 Euro bezahlt. Frühstück gibt es für 1-3 Euro.)

Außer der Nacht in Alleppy  war es überall schön mit Wohlfühlfaktor!

Zugfahren in Indien

Eine Zugfahrt, die ist lustig – heißt es, in Indien in der zweiten Klasse nicht unbedingt… Wir hatten immer Gruppenkuscheln im Mittelgang des Zugs (siehe Bild oben) oder bei unserer längsten Reise auf der Sitzbank: als wir ca. 5 Stunden von Varkala nach Aluva, Richtung Flughafen für den ersten Teil des Heimflugs, den Inlandflug von Kochi Airport nach Chennai unterwegs waren.  Als wir in Varkala in den Zug stiegen, war dieser ganz voll und für ca. ½ Stunde standen wir im Gang. Zuerst passte nur 1 Rucksack auf den Gepäckablage über den Sitzen. Nach ½ Stunde bot ein Inder an, einen Platz auf einem anderen Gepäckablage zu schaffen und rückte die Sachen, die dort neben ihm lagen (er saß auch auf dem Gepäckablage), zusammen. Und dann – hurra! – kam der erste Halt und ein Familienclan neben uns auf der Bank stieg aus und wir rückten schnell nach auf die freiwerdende Bank. Diese hatte offiziell Platz für vier Personen, wir saßen dann mit fünf bis sechs Menschen eng beieinander gedrückt dort. Bei den laufenden Ventilatoren an der Decke und dem Zugwind von den unverglasten Fenstern gab das schön warm! Nach einer Weile packte eine alte Frau gegenüber auf der Bank ihre Idlis mit Soße aus und es entstand wie ein Wunder für ihre Frühstückspause ein Plätzchen, auf dem sie ein Stück Plastik ausbreitete und ihr Frühstück nach indischer Art mit der rechten Hand zusammenmanschte und dann in den Mund schob.

Auf der Gepäckablage über uns tummelten sich zwischen den Gepäckstücken ein paar Halbwüchsige, die immer mal wieder heruntersprangen, und ein paar Männer. Hin und wieder streckten sich über uns ein paar Beine von Gepäckablage zu Gepäckablage, wenn den Passagieren dort oben das Sitzen im Schneidersitz zu unangenehm wurde. Neben uns und gegenüber saßen fünf junge Inder, die sich die ganze Zeit viel zu erzählen hatten und Infos aus ihren Handys miteinander austauschten. Nach zweieinhalb Stunden fielen alle fünf fast synchron in einen tiefen Schlaf, die Köpfe ruhten aneinander und die Arme waren zum Teil ineinander verschlungen.

An den Haltestationen stiegen Händler mit Tee, Kaffee und Essen ein und drängten sich laut rufend durch den Waggon; eine Frau mit Baby stieg zu und sang während der Fahrt ein Lied und klapperte dazu mit einer Art Kastagnetten. Die meisten Reisenden waren jedoch nicht bereit, ihr nach der Vorstellung etwas Geld zu geben.

Wir waren um 7.30 Uhr auf dem Bahnsteig in Varkala gewesen und mussten über eine halbe Stunde auf den verspäteten Zug warten. Je näher wir unserem Ziel kamen, desto länger wurde jedoch die Verspätung. Um die Mittagszeit kehrte wieder schläfrige Ruhe ein und der junge Mann neben Ánatha kippte langsam auf ihre Schulter. Seine Kumpels ermahnten ihn jedoch einstimmig zu dritt, aufzupassen, und in die andere Richtung zu kippen.

Beim Zugfahren in der zweiten Klasse und bereits beim Einsteigen ist immer viel Gedränge, jeder kämpft um einen Platz für sich; wir haben kaum jemanden erlebt, der Frauen oder älteren Männern einen Platz freimachte. Mitgefühl ist Luxus, andererseits, wenn wir jemanden direkt ansprachen und um Hilfe beim Rucksackverstauen baten, wurde das selbstverständlich gemacht.

Das Reisen per Zug in der zweiten Klasse gehört aber nicht zu unserer liebsten Reiseform…

Varkala – im Paradies hängengeblieben…

Varkala hat viele Gesichter: einen sehr touristischen Teil mit viel Trubel und Geschäften direkt am Meer oberhalb der Cliffs (Varkala Beach genannt), einen ruhigen Teil am Meer am Nordcliff, wo wir uns eine Unterkunft gesucht haben sowie einen geschäftigen, typisch indischen Ort, 2 km entfernt, und einen Teil mit alten Tempeln, zu denen viele Inder pilgern. Ein neueren Tempel eines örtlichen Gurus (Narajana), dessen Anhänger ganz in Gelb gekleidet sind, liegt mitten im Ort. Zu EhrenNarjanas fand gerade ein großes Fest in Varkala statt. Als wir dorthin gingen, waren kaum Westler unterwegs und einige Inder baten uns um Selfies mit uns, was zu viel Lachen miteinander und dem gegenseitigen Austausch von unseren Namen und unseren Herkunftsorten bzw. -ländern führte.

 

Narajana Prozession

Narajana-Tempel

wie immer bei religiösen Hindu-Festen – auch Jahrmarktatmosphäre

Am 1. Januar erlebten wir eine hinduistische Feier, eine Tempelprozession, bei der auf Wagen große Göttergestalten dargestellt wurden. Die Wagen zeigten Themen aus einem alten indischen Espos (Mahabarata). Zwischen den Wagen liefen zwei Trommelgruppen mit und den Schluss bildeten zehn prächtig geschmückte Elefanten mit ihren Mahouts. Wir standen nahe bei einem kleinen Lieferwagen, auf dem viele kleine Becher mit indischem Gewürztee sttanden und jeder Musiker, Mahout und jeder Elefant erhielt etwas zu trinken beim Vorbeigehen. Die größeren Elefanten waren durch schwere Ketten gesichert. Ab und zu liest man von Vorfällen, da die Elefanten manchmal durch den Lärm und die vielen Menschenmassen irritiert werden und dann durchdrehen und schwer zu bändigen sind. Nicht weit von Varkala entfernt gibt es eine Art Erholungsstation für Elefanten mit „Burn-out“ und alte ausgediente Elefanten. Die Prozession, die wir erlebten wurde von vielen Indern und wenigen Westlern angeschaut und die Anwohner der Straße hatten kleine Altäre vor ihren Häusern aufgebaut.

Das andere Varkala, das touristische, bietet verschiedene Strände, an denen Inder, aber vor allem viele Westtler baden und relaxen, eine Vielzahl von Restaurants und Cafés für jeden Geschmack. Am Strand wird manchmal musiziert zur Unterhaltung der Badenden.

Die Inderinnen gehen voll bekleidert bis zur Hüfte ins Wasser, nicht weit davon baden die Westlerinnen im Bikini. Wenn man die touristische Strandzone entlang der vielen kleinen Shops geht, hört man dauernd: „Madam, want to see my shop? Very cheap price, discount possible…“

In unserem am ruhigen Teil des Nordcliffs gelegenen Guesthouse mit wunderschönem Blick durch Bäume auf Palmen, ein Reisfeld und das Arabische Meer und einen Ausschnitt des Strandes fühlen wir uns so wohl, dass wir eine Weiterreisee immer weiter rausschieben. Ánatha geht zum Yoga zwei Häuser weiter, es gibt ayurvedische Behandlungen und Massagen drei Minuten Fußweg von hier und der Strand ist in 5 Minuten erreichbar und nie überfüllt und sehr ruhig von der Atmosphäre her. Es gibt ein kleines Restaurant am Beach mit Sonnenschirmen und Liegen, falls wir länger am Strand entspannen wollen. Wir fühlen uns wie im Paradies.

Unser Guesthouse mit Roof-top Restaurant

Ein besonderes Erlebnis war eine Aufführung von modernem indischen Tanz, der traditionelle Elemente und Yoga-Haltungen beinhaltete. Die Gruppe von sieben indischen Tänzerinnen und Tänzern zeigte eine einstündige Aufführung zum Thema „Shiva“. Wunderschön!

 

 

 

 

Aleppy (Alappuzha) – nichts wie weg…

Es scheint, wir haben den falschen Tag für Aleppy erwischt: Wir kamen in einer total überfüllten Stadt mit Verkehrsstaus an jeder Kreuzung und Massen von Menschen an. Das Guesthousee, das wir zuerst gebucht hatten, sagte uns kurfristig ab wegen eines Festes im Ort und wir mussten eine andere Unterkunft finden. Wir fanden ein staatliches Hotel an einer Ausfallstraße, das blütenweiße Bettlaken aufweisen konnte, aber das Bad war schmuddlig. Der Preis war mit umgerechnet 16 Euro fürs Doppelzimmer o.k. Als wir mit der Rikscha in die Stadt fuhren, war alles nur heiß, staubig und ziemlich unerträglich für uns. Das war also Aleppy, die Stadt, die gerade einen Umweltpreis als sauberste Stadt Indiens erhalten hatte… – wir hatten bereits saubere Städte gesehen.

Wir verbrachten etwas Zeit am Strand, der tatsächlich sehr sauber aber ziemlich leer war und retteten uns dann auf eines der vielen Boote (Shikara Boat), die Kanalfahrten in den Backwaters anbieten. Da gerade Nachmittagsflaute war, konnten wir einen guten Preis aushandeln und verbrachten zwei friedliche Stunden auf dem Wasser.

auf dem Shikara Boat

Eines der großen Backwater-Schiffe, auf denen man Mehrtagestouren unternehmen kann

Am nächsten Tag nahmen wir die staatliche Fähre nach Kollam im Süden; die achtstündige Fahrt war sehr schön, wir hatten zwei kurze Essensstops und genossen die schöne Aussicht von der Fähre.

auf der Fähre und Essenspause mittags

 

wunderschöne Eindrücke den ganzen Tag bis abends zur Ankunft in Kollam um 18. 30 Uhr

Das Ticket für die achtstündige Backwater-Fahrt kostete nur umgerechnet ca. 5,40 Euro. Auf der Fähre hatten ca. 50 Menschen Platz und es ergaben sich nette Gespräche mit Einheimischen, die im Familienclan die Backwaters genossen und mit anderen Backpackern. Der letzte Stop vor dem Ende der Reise in Kollam war am Ashram von Amma, der weltweit bekannten Inderin, die dafür bekannt ist, dass sie die Menschen, die zu ihr kommen, umarmt – inzwischen  sind es zig Millionen weltweit, die sie so liebevoll begrüßt hat.

In Kollam wartete bereits das Auto des Guesthouses in Varkala auf uns; in Varkala wollen wir ein paar erholsame Tage bis ins neue Jahr hinein verbringen.

 

Ánatha über Weihnachten in Kerala

Oft wurden wir zuhause gefragt, ob wir in Indien Weihnachten  feiern. Erst einmal gehen wir in Deutschland ja davon aus, dass Indien und Weihnachten nichts gemeinsam haben. Aber die Christen in Kerala sind sehr gläubig und Weihnachten ist sehr wichtig. Der 25.12. ist ein Feiertag. Christen stehen an dritter Steller der Religionen in Kerala und bereits im 1. Jahrhundert nach Christus haben sich syrische Christen in Kerala niedergelassen und dann kamen Portugiesen, Holländer und Engländer. Zurückgeführt wird das Christentum aber auf Thomas, einen der Jünger von Jesus, der hier gelandet sein soll und angeblich Brahmanen, also Hindupriester, missioniert hat.

Wir wohnten in der Nähe der katholischen Hauptkirche (Kathedrale) und konnten den durch Lautsprecher aus der Kirche übertragenen Gottesdiensten zuhören.
Kathedrale Santa Cruz

Genauso wie den Gesängen des Muezzins der ebenfalls nahe gelegenen Moschee. In Indien wird alles lautstark geteilt, egal was es ist. Wie wir mitbekommen haben, gab es jeden Tag zwei bis vier Gottesdienste, mal in der Landessprache, mal in Englisch. Die Kirchen sind außen mit viel Deko geschmückt. Es gibt im Innern des Kirchenraums einen geschmückten Weihnachtsbaum aus Kunststoff. Wir haben auch vor verschiedenen Privathäusern Weihnachtsbäume und ab dem 24.12. Krippen gesehen. Alle christlichen Häuser sind geschmückt. 
Weihnachtsbaum im Café                     Straßenmalerei

Gesungen werden traditionelle Lieder, poppige und gospelähnliche. Auf jeden Fall viel. Der stärkste Eindruck war die tiefe Frömmigkeit. Zum Beispiel gingen die meisten Gottesdienstbesucher nach der Messe zur Krippe mit dem Jesuskind und berührten es wie auch die Heiligen, die Glasvitrinen, in denen Heilige stehen, und führten dann die Hand an den Mund und die Stirn. Die gesamte Atmosphäre strahlt tiefe Gläubigkeit und Traditionsverbundenheit aus. Bei einem open Air Konzert mit rockigen christlichen Liedern wurde uns ein kleiner Comic über eine Bekehrung zugesteckt.

Wie uns ein deutsches Ehepaar erzählte, das bei einer Familie wohnte, wird an Heiligabend traditionell ein Kuchen angeschnitten. Die beiden wurden eingeladen, den Kuchen im Kreis der Familie mitzuessen und durften als besondere Ehre den Kuchen anschneiden.

Eva und ich haben uns an Heiligabend ein besonders gutes Restaurant geleistet mit hervorragenden Fischgerichten. Da jeder Tisch besetzt war, wurden wir an einen Tisch eines englisch-portugiesischen Ehepaars gesetzt, die von ihrer zweiwöchigen Autotour von Chennai bis Kochin quer durch Südindien mit einem angemieteten Auto und indischen Fahrer erzählt haben. Das wird hier vielfach angeboten und ist eine bequeme Art des Reisens und gleichzeitig wird viel über das Land erzählt und man sieht auch besondere Orte abseits von gängigen Touristenrouten. Die beiden haben in dieser Zeit Freundschaft mit dem Fahrer geschlossen und waren begeistert von dieser Tour von der Ostküste zur Westküste Südindiens.

 

 

Im Westen

Nach einem Flug von 1 ¼ Stunden von Chennai aus sind wir an der Westküste Indiens in Kochi (Cochin) gelandet. Unser Guesthouse liegt in Fort Kochi und es ist nicht weit zur Seepromenade und zum Ortskern. Es ist ziemlich touristisch hier, vor allem sind gerade auch für viele Inder Ferien und die Seepromenade ist voller Menschen verschiedenster Hautfarben und Nationalitäten und gleicht einem Jahrmarkt mit vielen Buden und Ständen, an denen z.B. Kleidung, Handnähmaschinen, Plastikspielzeug, Schmuck und Eis angepriesen werden. Fischer habe ihre Stände aufgebaut und man kann sich einen Fisch aussuchen und zu einem „You-buy-we-cook“ (Sie kaufen, wir kochen) Restaurant gehen und sich den Fisch zubereiten lassen. Die Zubereitungsstände sind meist offene Küchen am Strand.

 

Fort Kochi ist überschaubar mit kleinen idyllischen Gassen, netten Cafés, Restaurants aller Preisklassen und mit internationalem Essensangebot.

Wir haben uns die Synagoge und das jüdische Viertel im benachbarten Stadtteil angesehen, einen Tempel der Jains
von außen bewundert – es war keine Besuchszeit als wir da waren. Der Jainismus ist eine in Indien beheimatete Religion, die etwa im 5./6. Jahrhundert v. Chr. entstand. Der Jainismus geht davon aus, dass sich in der Welt zwei Prinzipien gegenüberstehen: Geistiges und Ungeistiges. Das Geistige beruht auf einer unendlichen Anzahl individueller Seelen (Jiva). Das Ungeistige umfasst die fünf Kategorien: Bewegung, Ruhe, Raum, Stoff und Zeit. Alles Stoffliche ist beseelt, nicht nur Menschen und Tiere, sondern auch Pflanzen oder Wasser. Die ursprüngliche Reinheit und Allwissenheit der Seele (Jiva) wird jedoch durch feinstoffliche Substanzen, die als Folge von Karma (Taten) eindringen, getrübt.

Morgens haben wir im kleinen Kreis den Morgenragas, die zwei brahmanische Musiker (Sänger und Trommler) anbieten, gelauscht. Ragas sind sehr alte traditionelle Musikstücke, die Tagesstimmungen und Gefühle wiedergeben und in den Tönen die Laute der Natur und von Tieren instrumental „nachmachen“. Ein achtsamer Start in den Tag für uns.

Kerala ist sehr bekannt für seine Backwaters, die vielen Flüsse, Kanäle und Seen. Es gibt unzählige Hausbotte und Angebote in allen Größen und Preislagen für Touren von einem oder mehreren Tagen. Wir haben uns für eine individuelle frühmorgendliche Halbtagstour in einer vollkommen touristenfreien Zone und im Kanu mit Führer entschieden, 
friedliche Stimmung
die ein Frühstück auf einer kleinen Insel, auf der nur 9 Familien leben, einschloss. Wir wurden dort freundlich empfangen, sprachen mit dem Dorfältesten, schauten seiner Frau beim Seilspinnen zu und durften selber mitmachen, sprachen mit einem Sänger, der in Tempeln religiöse Lieder singt und einen gewissen Bekanntheitsgrad in der Gegend hat (an der Wand hing ein Poster, das einen seiner Auftritte ankündigte) und hatten ein köstliches Frühstück mit Reis, Gemüse, Ei auf einem Palmenblatt. Dazu gab es einen leckeren Gewürztee.

  Kochstelle

Der Sänger

Bei der Seilemacherin

Der Führer erzählte uns auch einiges über Kerala allgemein. Fast alle Menschen in diesem Staat können lesen und schreiben, es gibt viele Christen, aber alle Religionen leben friedlich zusammen, manche Hindus geben auch zu den Gottesdiensten in Kirchen und umgekehrt besuchen Christen Zeremonien im Hindutempel. Andererseits sind in Kerala fast in jedem Ort Kommunistische Fahnen, Poster und Embleme zu sehen. Der Staat Kerala ist ein kommunistische und christliche Hochburg: Unglaubliches Indien… Insgesamt macht Kerala einen viel westlicheren Eindruck als der Staat Tamil Nadu. Die Einflüsse westlicher Kulturen seit vielen Jahrhunderten (Portugiesen, Holländer, Engländer) sind deutlich spürbar.

Wir haben hier viele schöne Kirchen gesehen und ganz in der Nähe der Santa Cruz Basilika gewohnt, in der jetzt an den Weihnachtstagen viele Gottesdienste stattfanden.        Weihnachtsbäume

Die Krönung unseres viertägigen Aufenthalts in Kochi war eine Kathakali-Tanzaufführung. Kathakali (ein „Geschichtenspiel“ ist eine sehr alte Tanzform, die dramatische Geschichten, Tanz zu Originalmusik mit echten Musikern sowie Rituale verbindet. Die Kostüme sind sehr aufwändig und bunt und alle Rollen werden von Männern getanzt, auch die Frauengestalten.

Eine Stunde vor Beginn der Aufführung konnten wir bereits in das wunderschöne Theater und den Tänzern zuschauen, die sich akribisch auf der Bühne schminkten.

 

Mit einer kleinen Puja (religiöse Zeremonie) wurde die Aufführung begonnen, nachdem der Boden des Theaters und die Skulptur des Gottes Shiva geschmückt worden waren.

Dann wurden einige Gesten und Mudras erklärt, es wurde gezeigt, wie subtile Augenbewegungen und Bewegungen der verschiedenen Gesichtsmuskeln deutlich Stimmungen ausdrücken und wir sahen dann einen einstündigen Auszug aus einer Aufführung, die sonst 6-7 Stunden dauert.

Das Trommeln wurde in den dramatischen Sequenzen ohrenbetäubend laut, so dass ich mir die Ohren zuhalten musste. Es war jedoch eine fesselnde Aufführung, die uns zum Staunen brachte.